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10-03-23 13:17 Alter: 264 Tage
Franz Oppenheimer: Der Staat (1909)
Auszüge aus einem wichtigen Standardwerk
Von der Entstehung des Staates: Die Eroberung und Überschichtung ortsgebundener Bauernkulturen durch militärisch überlegene Kriegergruppen
Was ist also der Staat im soziologischen Begriffe? Schon die Geschichte des Wortes sagt es uns. Es stammt aus der italienischen der Renaissanceperiode. Dort bezeichnete es den, zumeist durch Gewalt zur Herrschaft gelangten, Fürsten samt seinem Anhang: »Die Herrschenden und ihr Anhang heißen lo stato, und dieser Name durfte dann die Bedeutung des gesamten Daseins eines Territoriums usurpieren«, sagt Jakob Burckhardt. So hatte Ludwig XIV. mit seinem hochfahrenden Wort: »L'Etat c'est moi« in einem tieferen Sinne recht, als er selbst ahnte. In unserem Worte »Hofstaat« lebt die alte Bedeutung noch fort. Das ist »das Gesetz, nach dem er angetreten«, und das ist der Staat geblieben. Er ist seiner Entstehung nach ganz und seinem Wesen nach auf seinen ersten Daseinsstufen fast ganz eine gesellschaftliche Einrichtung, die von einer siegreichen Menschengruppe einer besiegten Menschengruppe aufgezwungen wurde mit dem einzigen Zwecke, die Herrschaft der ersten über die letzte zu regeln und gegen innere Aufstände und äußere Angriffe zu sichern. Und die Herrschaft hatte keinerlei andere Endabsicht als die ökonomische Ausbeutung der Besiegten durch die Sieger. Kein primitiver »Staat« der Weltgeschichte ist anders entstanden. […]
Überall bricht ein kriegerischer Wildstamm über die Grenzen eines weniger kriegerischen Volkes, setzt sich als Adel fest und gründet seinen Staat. Im Zweistromlande Welle auf Welle und Staat auf Staat: Babylonier, Amoriter, Assyrer, Araber, Meder, Perser, Makedonier, Parther, Mongolen, Seldschucken, Tataren, Türken; am Nil Hyksos, Nubier, Perser, Griechen, Römer, Araber, Türken; in Hellas die Dorierstaaten, typischen Gepräges; in Italien Römer, Ostgoten, Langobarden, Franken, Normannen, Deutsche; in Spanien Karthager, Römer, Westgoten, Araber; in Gallien Römer, Franken, Burgunder; in Britannien Sachsen, Normannen. Welle auf Welle kriegerischer Wildstämme auch über Indien bis hinab nach Insulindien, auch über China ergossen; und in den europäischen Kolonien überall der gleiche Typus, wo nur ein seßhaftes Bevölkerungselement vorgefunden wurde: in Südamerika, in Mexiko. Wo es aber fehlt, wo nur schweifende Jäger angetroffen werden, die man wohl vernichten, aber nicht unterwerfen kann, da hilft man sich, indem man die auszubeutende, fronpflichtige Menschenmasse von fern her importiert: Sklavenhandel! […]Es gibt zwei grundsätzlich entgegengesetzte Mittel, mit denen der überall durch den gleichen Trieb der Lebensfürsorge in Bewegung gesetzte Mensch die nötigen Befriedigungsmittel erlangen kann: Arbeit und Raub, eigne Arbeit und gewaltsame Aneignung fremder Arbeit. »Raub! Gewaltsame Aneignung!« Uns Zeitgenossen einer entwickelten, gerade auf der Unverletzlichkeit des Eigentums aufgebauten Kultur klingen beide Worte nach Verbrechen und Zuchthaus; und wir werden diese Klangfarbe auch dann nicht los, wenn wir uns davon überzeugen, daß Land- und Seeraub unter primitiven Lebensverhältnissen geradeso wie das Kriegshandwerk - das ja sehr lange auch nur organisierter Massenraub ist - die weitaus angesehensten Gewerbe darstellen. […]
Die primitiven Jäger aber leben durchaus in praktischer Anarchie. Im allgemeinen sind alle erwachsenen Männer innerhalb des Stammes gleichberechtigt. […] Die Gesellschaftsbildungen der primitiven Ackerbauern haben kaum mehr Ähnlichkeit mit einem »Staate« als die Jägerhorden. Wo der mit der Hacke den Boden bearbeitende Bauer in Freiheit lebt - der Pflug ist schon immer Kennzeichen einer höheren Wirtschaftsform, die nur im Staate vorkommt, nämlich der von unterworfenen Knechten betriebenen Großwirtschaft -, da gibt es noch keinen »Staat«. Isoliert voneinander, weithin zerstreut in einzelnen Gehöften, vielleicht Dörfern, durch Streitigkeiten wegen Gau- und Ackergrenzen zersplittert, leben sie bestenfalls in losen Eidgenossenschaften, nur locker von dem Bande zusammengehalten, das das Bewußtsein gleicher Abstammung und Sprache und gleichen Glaubens um sie schlingt. Selten nur, vielleicht einmal im Jahre, eint sie die gemeinsame Feier berühmter Ahnen oder der Stammesgottheit. Eine über die Gesamtheit herrschende Autorität besteht nicht; die einzelnen Dorf-, allenfalls Gauhäuptlinge haben je nach ihren persönlichen Eigenschaften, namentlich nach der ihnen zugetrauten Zauberkraft, mehr oder weniger Einfluß in ihrem beschränkten Kreise.
Wie Cunow die peruanischen Hackbauern vor dem Einbruch der Inka schildert, so waren und sind die primitiven Bauern überall in der Alten und Neuen Welt: »ein ungeregeltes Nebeneinander vieler unabhängiger, sich gegenseitig befehdender Stämme, die sich ihrerseits wieder in mehr oder weniger selbständige, durch Verwandtschaftsbande zusammengehaltene Territorialverbände spalteten«. In einem solchen Zustande der Gesellschaft ist das Zustandekommen einer kriegerischen Organisation zu Angriffszwecken kaum denkbar. Es ist schon schwer genug, den Gau oder gar Stamm zur gemeinsamen Verteidigung mobil zu machen. Der Bauer ist eben immobil, bodenständig, wie die Pflanze, die er baut. Er ist durch seinen Betrieb auch dann tatsächlich »an die Scholle gebunden«, wenn er rechtlich frei beweglich ist. Und welchen Zweck sollte ein Raubzug in einem Lande haben, das weithin nur von Bauernschaften besetzt ist? Der Bauer kann dem Bauern nichts nehmen, was er nicht selbst schon besitzt. Jedem von ihnen bringt wenig Arbeit in der extensiven Kultur eines durch Überfluß an Feldland ausgezeichneten Gesellschaftszustandes so viel, wie er braucht; ein Mehr wäre ihm überflüssig, seine Erwerbung verlorene Mühe, selbst wenn er das erbeutete Korn länger aufbewahren könnte, als in so primitiven Verhältnissen möglich, wo es schnell durch Witterungseinflüsse oder Ameisenfraß u. dgl. zugrunde geht. Muß doch nach Ratzel der zentralafrikanische Bauer den überschüssigen Teil seiner Ernte schleunigst in Bier verwandeln, um ihn nicht ganz zu verlieren! Aus allen diesen Gründen geht dem primitiven Bauern der kriegerische Offensivgeist gänzlich ab, der den Jäger und Hirten auszeichnet: der Krieg kann ihm keinen Nutzen bringen. Und diese friedliche Stimmung wird noch dadurch verstärkt, daß ihn seine Beschäftigung nicht gerade kriegstüchtig macht. Er ist wohl muskelstark und ausdauernd, aber von langsamen Bewegungen und zögerndem Entschluß, während der Jäger und der Hirt durch ihren Beruf zu Schnelligkeit und rascher Tatkraft erzogen werden. Darum ist der primitive Bauer zumeist von sanfterer Gemütsart als jene. Kurz: in den ökonomischen und sozialen Verhältnissen des Bauerngaues besteht keine Differenzierung, die zu höheren Formen der Integrierung drängte, besteht weder der Trieb noch die Möglichkeit zu kriegerischer Unterwerfung der Nachbarn, kann also kein »Staat« entstehen, und ist auch nie ein solcher entstanden. Wäre kein Anstoß von außen, von Menschengruppen anderer Ernährungsart gekommen - der primitive Bauer hätte den Staat nie erfunden. […]
Auch der Bauer kann mit seiner undisziplinierten Landwehr, die aus ungeübten Einzelkämpfern besteht, dem Anprall der reisigen Hirten nicht auf die Dauer widerstehen, selbst wenn er in starker Überzahl ficht. Aber der Bauer weicht nicht aus, denn er ist bodenständig; und der Bauer ist an regelmäßige Arbeit schon gewöhnt. Er bleibt, läßt sich unterwerfen und steuert seinem Besieger: das ist die Entstehung des Landstaates in der Alten Welt! In der Neuen Welt, wo die großen Weidetiere, Rinder, Pferde, Kamele ursprünglich nicht vorhanden sind, tritt an die Stelle des Hirten der dem Hackbauern durch Waffengewandtheit und kriegerische Disziplin immer noch unendlich überlegene höhere Jäger. »Der in der Alten Welt kulturzeugende Gegensatz von Hirten- und Ackerbauvölkern reduziert sich in der Neuen auf den Gegensatz von wandernden und ansässigen Stämmen. […]Nirgends zeigt es sich so klar wie hier auf der Grenze nomadisierender und ackerbauender Völker, daß die großen Wirkungen der kulturfördernden Anstöße der Nomaden nicht aus friedlicher Kulturtätigkeit hervorgehen, sondern als kriegerische Bestrebungen friedlichen zuerst entgegenwirken, ja schaden. Ihre Bedeutung liegt in dem Talent der Nomaden, die sedentären und leicht auseinanderfallenden Völker energisch zusammenzufassen. Das schließt aber nicht aus, daß sie dabei viel von ihren Unterworfenen lernen können. Was aber alle diese Fleißigen und Geschickten nicht haben und nicht haben können, das ist der Wille und die Kraft, zu herrschen, der kriegerische Geist und der Sinn für staatliche Ordnung und Unterordnung.
Bei der Entstehung des Staates aus der Unterwerfung eines Ackerervolkes durch einen Hirtenstamm oder durch Seenomaden lassen sich sechs Stadien unterscheiden. Wenn wir sie im folgenden schildern, so ist nicht die Meinung, als wenn die reale historische Entwicklung gezwungen gewesen sei, in jedem einzelnen Falle die ganze Treppe, Stufe für Stufe, zu erklettern. Zwar ist hier nichts theoretische Konstruktion; jede einzelne Stufe findet sich in zahlreichen Vertretern in Weltgeschichte und Völkerkunde, und es gibt Staaten, die sie augenscheinlich sämtlich absolviert haben. Aber es gibt mehr, die eine oder mehrere der Stufen übersprungen haben.
Das erste Stadium ist Raub und Mord im Grenzkriege: ohne Ende tobt der Kampf, der keinen Frieden noch Waffenstillstand kennt. Erschlagene Männer, fortgeführte Kinder und Weiber, geraubte Herden, brennende Gehöfte! Werden die Angreifer mit blutigen Köpfen heimgeschickt, so kommen sie in stärkeren und stärkeren Haufen wieder, zusammengeballt durch die Pflicht der Blutrache. Zuweilen rafft sich wohl die Eidgenossenschaft auf, sammelt die Landwehr, und es gelingt ihr vielleicht auch einmal, den flüchtigen Feind zu stellen und ihm auf eine Zeitlang die Wiederkehr zu verleiden; aber allzu schwerfällig ist die Mobilmachung, allzu schwierig die Verpflegung in der Wüste für die Bauernlandwehr, die nicht, wie der Feind, ihre Nahrungsquelle, die Herden, mit sich führt […] - und schließlich ist der Kirchtumsgeist mächtig, und daheim liegen die Äcker brach. Darum siegt auch in solchen Fällen auf die Dauer fast immer die kleine, aber geschlossene bewegliche Macht über die größere zersplitterte Masse, der Panther über den Büffel. Das ist das erste Stadium der Staatsbildung. Sie kann jahrhunderte-, vielleicht jahrtausendelang darauf stehen bleiben. […]
Zum ersten Stadium zu rechnen sind auch die aus der ganzen altweltlichen Geschichte bekannten Massenzüge, soweit sie nicht auf Eroberung, sondern lediglich auf Plünderung abzielten, Massenzüge, wie sie Westeuropa durch die Kelten, Germanen, Hunnen, Avaren, Araber, Magyaren, Tataren, Mongolen und Türken vom Lande und durch die Wikinge und Sarazenen vom Wasser her erlitten hat. Sie überschwemmten weit über das gewohnte Raubgebiet hinaus ganze Erdteile, verschwanden, kehrten wieder, versickerten und hinterließen nur eine Wüste. Häufig genug aber schritten sie in einem Teil des überfluteten Gebietes unmittelbar zum sechsten und letzten Stadium der Staatsbildung, indem sie eine dauernde Herrschaft über die Bauernbevölkerung errichteten. […] Man muß nur weit genug zurücktreten, den Standpunkt so hoch wählen, daß das bunte Spiel der Einzelheiten uns die großen Massenbewegungen nicht mehr verbirgt; dann entschwinden unserem Blick die »modi« der Kämpfenden, wandernden, arbeitenden Menschheit, und ihre »Substanz«, ihre ewig gleiche, ewig erneute, ihre im Wechsel dauernde, enthüllt uns ihre »einförmigen« Gesetze.
Allmählich entsteht aus diesem ersten Stadium das zweite, namentlich dann, wenn der Bauer, durch tausend Mißerfolge gekirrt, sich in sein Schicksal ergeben, auf jeden Widerstand verzichtet hat. Dann beginnt es selbst dem wilden Hirten aufzudämmern, daß ein totgeschlagener Bauer nicht mehr pflügen, ein abgehackter Fruchtbaum nicht mehr tragen kann. Er läßt im eigenen Interesse den Bauern leben und den Baum stehen, wenn es möglich ist. Die reisige Expedition kommt nach wie vor, waffenstarrend, aber nicht mehr eigentlich in Erwartung von Krieg und gewaltsamer Aneignung. Sie brennt und mordet nur so viel, wie erforderlich ist, um den heilsamen Respekt zu erhalten oder vereinzelten Trotz zu brechen. Aber im allgemeinen, grundsätzlich, nach einem fest gewordenen Gewohnheitsrecht - der erste Keim alles staatlichen Rechtes! - nimmt der Hirt nur noch den Überfluß des Bauern. Das heißt, er läßt ihm Haus, Geräte und ausreichend Lebensmittel bis zur nächsten Ernte. Ein Vergleich: der Hirt im ersten Stadium ist der Bär, der den Bienenstock zerstört, indem er ihn ausraubt; im zweiten ist er der Imker, der ihm genug Honig läßt, um zu überwintern. Ein ungeheurer Schritt vorwärts zwischen erstem und zweitem Stadium! Wirtschaftlich und politisch ein ungeheurer Schritt! Denn zuerst war der Erwerb des Hirtenstammes rein okkupatorisch; schonungslos zerstörte der Genuß des Augenblickes die Reichtumsquelle der Zukunft; jetzt ist der Erwerb wirtschaftlich, denn alles Wirtschaften heißt weise haushalten, den Genuß des Augenblickes der Zukunft halber einschränken. Der Hirt hat gelernt, zu »kapitalisieren«. Ein ebenso gewaltiger Schritt politisch: der blutsfremde Mensch, bisher vogelfreie Beute, hat einen Wert erhalten, ist als Reichtumsquelle erkannt; das ist zwar der Anfang aller Knechtschaft, Unterdrückung und Ausbeutung, aber auch der Anfang zu einer über die Verwandtschaftsfamilie hinausgreifenden höheren Gesellschaftsbildung; und schon spann sich, wie wir sahen, zwischen Räubern und Beraubten der erste Faden einer Rechtsbeziehung über die Kluft fort, die bisher zwischen den Nichts-als- Todfeinden klaffte. Der Bauer erhält eine Art von Recht auf die Lebensnotdurft; es wird ein Unrecht, den nicht Widerstehenden zu töten oder ganz auszuplündern. Und besser als das! Feinere, zartere Fäden knüpfen sich zu einem noch sehr schwachen Netze menschlichere Beziehungen als sie der brutale Gewohnheitspakt der Teilung nach dem Muster der partitio leonina enthält. Da die Hirten nicht mehr im Kampfzorn rasend mit den Bauern zusammentreffen, so findet auch wohl einmal eine demütige Bitte Erfüllung, oder eine begründete Beschwerde Gehör. Der kategorische Imperativ der Billigkeit, »was du nicht willst, das man dir tu'«, dem auch der Hirt im Verkehr mit seinen eigenen Bluts- und Stammesgenossen streng gehorcht, beginnt zum erstenmal, ganz schüchtern noch und leise, auch für den Blutsfremden zu sprechen. Hier ist der Keim zu jenem grandiosen äußeren Verschmelzungsprozeß, der aus den kleinen Horden die Völker und Völkerbünde geschaffen hat und dereinst den Begriff der »Menschheit« mit Leben erfüllen wird; hier ebenso der Keim zu der inneren Vereinheitlichung der einst Zersplitterten, die vom Haß der βάρβαροι zur allumfassenden Menschenliebe des Christentums und des Buddhismus führte. Volkstum und Staat, Recht und höhere Wirtschaft, mit allen Entwicklungen und Verzweigungen, die sie schon getrieben haben und noch treiben werden, entstanden gemeinsam in jenem Moment unvergleichlicher weltgeschichtlicher Bedeutung, in dem zuerst der Sieger den Besiegten schonte, um ihn dauernd zu bewirtschaften. Die Wurzel alles Menschlichen taucht nun einmal in das dunkle Erdreich des Tierischen, Liebe und Kunst nicht minder wie Staat, Recht und Wirtschaft. Bald kommt ein anderes hinzu, um jene seelischen Beziehungen noch enger zu knüpfen. Es gibt in der Wüste außer dem jetzt in den Bienenvater umgewandelten Bären noch andere Petze, die auch nach Honig lüstern sind. Unser Hirtenstamm sperrt ihnen die Wildbahn, er schützt »seinen« Stock mit der Waffe. Die Bauern gewöhnen sich, die Hirten herbeizurufen, wenn ihnen eine Gefahr droht; schon erscheinen sie nicht mehr als die Räuber und Mörder, sondern als die Schützer und Retter. Man stelle sich den Jubel der Bauern vor, wenn die Rächerschaar die geraubten Weiber und Kinder samt den abgehauenen Köpfen oder abgezogenen Skalpen der Räuber ins Dorf zurückbringt. Was sich hier knüpft, sind keine Fäden mehr, das ist ein Band von gewaltiger Festigkeit und Zähigkeit. Hier ist die vornehmste Kraft der »Integration« gezeigt, die im weiteren Verlauf aus den beiden ursprünglich blutsfremden, oft genug sprach- und rassefremden ethnischen Gruppen zuletzt ein Volk mit einer Sprache und Sitte und einem Nationalgefühl schmieden wird: gemeinsames Leid und Not, gemeinsamer Sieg und Niederlage, gemeinsamer Jubel und Totenklage. Ein neues gewaltiges Gebiet hat sich erschlossen, auf dem Herren und Knechte gleichen Interessen dienen; das erzeugt einen Strom von Sympathie, von Zusammengehörigkeit. Jeder Teil ahnt, erkennt im anderen mehr und mehr den Menschen; das Gleiche der Anlage wird herausgefühlt, während vorher nur das Verschiedene in der äußeren Gestalt und Tracht, in der fremden Sprache und Religion zu Haß und Widerwillen aufreizte. Man lernt sich verständigen, erst im eigentlichen Sinne, durch die Sprache, dann auch seelisch; immer dichter wird das Netz der seelischen Zusammenhänge. In diesem zweiten Stadium der Staatsbildung ist alles Wesentliche bereits in der Anlage enthalten. Kein weiterer Schritt kann sich an Bedeutung mit demjenigen messen, der von der Bären- zur Imkerstufe führte. Wir können uns darum mit kurzen Andeutungen begnügen.
Das dritte Stadium besteht darin, daß der »Überschuß« der Bauernschaften von ihnen selbst regelmäßig als »Tribut« in das Zeltlager der Hirten abgeliefert wird, eine Regelung, die augenscheinlich für beide Teile bedeutende Vorteile hat. Für die Bauern, weil die kleinen Unregelmäßigkeiten, die mit der bisherigen Form der Besteuerung verbunden waren: ein paar erschlagene Männer, vergewaltigte Frauen und niedergebrannte Gehöfte, nun ganz fortfallen; für die Hirten, weil sie, um sich ganz kaufmännisch auszudrücken, für dieses »Geschäft« keine »Spesen« und Arbeit mehr aufzuwenden haben und die freigewordene Zeit und Kraft auf »Erweiterung des Betriebes« verwenden, d.h. mit anderen Worten, neue Bauernschaften unterwerfen können. Diese Form des Tributs ist uns aus historischen Zeiten bereits sehr geläufig, Hunnen, Magyaren, Tataren, Türken zogen aus den europäischen Tributen ihre besten Einnahmen. Unter Umständen kann sich bereits der Charakter eines Tributes, den Unterworfene an ihre Herren zu bezahlen haben, hier mehr oder minder verwischen, und die Leistung nimmt den Anschein eines Schutzgeldes oder gar einer Subvention an. Man kennt die Sage von Attila, den der kaiserliche Schwachkopf in Byzanz als seinen Lehnsfürsten abschildern ließ, weil ihm der Tribut als Hilfsgeld erschien.
Das vierte Stadium bedeutet wieder einen sehr wichtigen Schritt vorwärts, weil es die entscheidende Bedingung für das Zustandekommen des »Staates« in seiner uns geläufigen äußeren Form hinzubringt: die räumliche Vereinigung der beiden ethnischen Gruppen auf einem Gebiete. (Bekanntlich kann keine juristische Definition des Staates ohne den Begriff des Staatsgebietes auskommen.) Von jetzt an wandeln sich die ursprünglich internationalen Beziehungen beider Gruppen immer mehr in intranationale. […] Die Schutzpflicht gegen die »Bären« zwingt sie, mindestens ein Aufgebot junger Krieger in der Nähe des Stockes zu halten, und das ist gleichzeitig eine gute Vorsichtsmaßregel, um die Bienen von Aufruhrgelüsten oder einer etwaigen Neigung zurückzuhalten, einen anderen Bären als Bienenvater über sich zu setzen. Denn auch das ist nicht selten. […] Wo aber entweder das Land für Großviehzucht ungeeignet ist - wie z. B. Westeuropa fast überall - oder wo eine weniger unkriegerische Bevölkerung Erhebungsversuche erwarten läßt, da wird die Herrenbevölkerung mehr oder weniger seßhaft, sitzt, natürlich an festen oder strategisch wichtigen Punkten, in Zeltlagern oder Burgen oder Städten. Von hier aus beherrschen sie ihre »Untertanen«, um die sie sich im übrigen nicht weiter kümmern, als das Tributrecht es verlangt. Selbstverwaltung und Kultübung, Rechtsprechung und Wirtschaft ist den Unterworfenen völlig überlassen; ja, sogar ihre autochthone Verfassung, ihre lokalen Autoritäten bleiben unverändert.
Aber von diesem vierten führt die Logik der Dinge schnell zum fünften Stadium, das nun schon fast der volle Staat ist. Streitigkeiten entstehen zwischen benachbarten Dörfern oder Gauen, deren gewaltsamen Austrag die Herrengruppe nicht dulden kann, da dadurch die »Prästationsfähigkeit« der Bauern leiden müßte; sie wirft sich zum Schiedsrichter auf und erzwingt im Notfall ihren Spruch. Schließlich hat sie an dem »Hofe« jedes Dorfkönigs oder Gauhauptes ihren beamteten Vertreter, der die Macht ausübt, während dem alten Herrn der Schein der Macht bleibt. […]
Die Notwendigkeit, die Unterworfenen in Raison und bei voller Leistungsfähigkeit zu erhalten, führt Schritt für Schritt vom fünften zum sechsten Stadium, nämlich zur Ausbildung des Staates in jedem Sinne, zur vollen Intranationalität und zur Entwicklung der »Nationalität«. Immer häufiger wird der Zwang, einzugreifen, zu schlichten, zu strafen, zu erzwingen; die Gewohnheit des Herrschens und die Gebräuche der Herrschaft bilden sich aus. Die beiden Gruppen, erst räumlich getrennt, dann auf einem Gebiete vereint, aber noch immer nur erst nebeneinandergelegt, dann durcheinandergeschüttelt, eine mechanische »Mischung« im Sinne der Chemie, werden mehr und mehr zu einer »chemischen Verbindung«. Sie durchdringen sich, mischen sich, verschmelzen in Brauch und Sitte, Sprache und Gottesdienst zu einer Einheit, und schon spannen sich auch Fäden der Blutsverwandtschaft von der Ober- zur Unterschicht. Denn überall wählt sich das Herrenvolk die schönsten Jungfrauen der Unterworfenen zu Kebsen, und ein Stamm von Bastarden wächst empor, bald der Herrenschicht eingeordnet, bald verworfen und dann kraft des in ihren Adern rollenden Herrenblutes die geborenen Führer der Beherrschten. Der primitive Staat ist fertig.
[…] Sprechen wir zuerst von der Integrierung! Das Netz seelischer Beziehungen, das wir bereits im zweiten Stadium sich knüpfen sahen, wird immer dichter und enger in dem Maße, wie die materielle Verschmelzung, die wir schilderten, vorwärtsschreitet. Die beiden Dialekte werden zu einer Sprache, oder die eine der beiden, oft ganz stammverschiedenen, Sprachen verschwindet, zuweilen die der Sieger (Langobarden), häufiger die der Besiegten. Die beiden Kulte verschmelzen zu einer Religion, in der der Stammgott der Sieger als Hauptgott angebetet wird, während die alten Götter bald zu seinen Dienern, bald zu seinen Gegnern: Dämonen oder Teufeln werden. Der äußerliche Typus gleicht sich aneinander an unter den Einflüssen gleichen Klimas und ähnlicher Lebenshaltung; wo eine starke Verschiedenheit der Typen bestand und sich erhält, füllen wenigstens die Bastarde die Kluft einigermaßen aus, und der Typus der Feinde jenseits der Grenzen wird allmählich von allen stärker als ethnischer Gegensatz, als »fremd« empfunden, als der noch bestehende Gegensatz der nunmehr vereinten Typen. Immer mehr lernen sich Herren und Knechte als »ihresgleichen« ansehen, wenigstens im Verhältnis zu den Fremden draußen. Zuletzt verschwindet die Erinnerung an die verschiedene Abstammung oft gänzlich; die Eroberer gelten als Söhne der alten Götter - sind es ja oft auch buchstäblich, da diese Götter zuweilen nichts anderes sind als die durch Apotheose vergotteten Seelen der Ahnen. Je schärfer sich im Zusammenprall der benachbarten »Staaten«, die ja viel aggressiver sind als vorher die benachbarten Blutsgemeinschaften, das Gefühl der Absonderung aller Insassen des staatlichen Friedenskreises von den auswärtigen Fremden ausprägt, um so stärker wird im Inneren das Gefühl der Zusammengehörigkeit; und um so mehr faßt der Geist der Brüderlichkeit, der Billigkeit hier Wurzel, der früher nur innerhalb der Horden herrschte und jetzt noch immer innerhalb [S. 50] der Adelsgenossenschaft herrscht. Das sind natürlich von oben nach unten ganz schwache Fäden; Billigkeit und Brüderlichkeit erhalten nur so viel Raum, wie das Recht auf das politische Mittel es erlaubt: aber so viel Raum erhalten sie! Und vor allem ist es der Rechtsschutz nach innen, der ein noch stärkeres Band seelischer Gemeinschaft webt als der Waffenschutz nach außen. Justitia fundamentum regnorum! Wenn die Junkerschaft als soziale Gruppe »von Rechts wegen« einen junkerlichen Totschläger oder Räuber hinrichtet, der die Grenze des Rechtes der Ausbeutung überschritt, dann dankt und jubelt der Untertan noch herzlicher als nach einer gewonnenen Schlacht. Das sind die Hauptlinien in der Entwicklung der psychischen Integration. Die Gemeininteressen an Rechtsordnung und Frieden erzeugen eine starke Gemeinempfindung, ein »Staatsbewußtsein«, wie man es nennen kann.
Auf der anderen Seite vollzieht sich pari passu, wie in allem organischen Wachstum, eine ebenso kräftige psychische Differenzierung. Die Gruppeninteressen erzeugen starke Gruppenempfindungen; Ober- und Unterschicht entwickeln ihren Sonderinteressen entsprechend je ein »Gruppenbewußtsein«. Das Sonderinteresse der Herrengruppe besteht darin, das geltende von ihr auferlegte Recht des politischen Mittels aufrechtzuerhalten; sie ist »konservativ«. Das Interesse der beherrschten Gruppe geht im Gegenteil dahin, dieses Recht aufzuheben und durch ein neues Recht der Gleichheit aller Insassen des Staates zu ersetzen: sie ist »liberal« und revolutionär. […]Solange die Beziehungen der beiden Gruppen lediglich die internationalen zweier Grenzfeinde waren, bedurfte das politische Mittel keiner Rechtfertigung. Denn der Blutsfremde hat keinerlei Recht. Sobald aber die psychische Integration das Gemeingefühl des Staatsbewußtseins einigermaßen ausgebildet hat, sobald der hörige Knecht ein »Recht« erworben hat, und in dem Maße, wie das Bewußtsein des Gleichseins sich vertieft, bedarf das politische Mittel der Rechtfertigung, und in der Herrengruppe entsteht die Gruppentheorie des »Legitimismus«. Der Legitimismus rechtfertigt Herrschaft und Ausbeutung überall mit den gleichen anthropologischen und theologischen Gründen. Die Herrengruppe, die ja Mut und Kriegstüchtigkeit als die einzigen Tugenden des Mannes anerkennt, erklärt sich selbst, die Sieger - und von ihrem Standpunkte aus ganz mit Recht - als die tüchtigere, bessere »Rasse«, eine Anschauung, die sich verstärkt, je mehr die unterworfene Rasse bei harter Arbeit und schmaler Kost herabkommt. Und da der Stammesgott der Herrengruppe in der neuen, durch Verschmelzung entstandenen Staatsreligion zum Obergott geworden ist, so erklärt sie - wieder von ihrem Standpunkte ganz mit Recht - die Staatsordnung für gottgewollt, für »tabu«. Durch einfache logische Umkehrung erscheint ihr auf der anderen Seite die unterworfene Gruppe als solche schlechterer Rasse, als störrisch, tückisch, träg und feig und ganz und gar unfähig, sich selbst zu regieren und zu verteidigen; und jede Auflehnung gegen die Herrschaft muß ihr notwendig als Empörung gegen Gott selbst und sein Sittengesetz erscheinen. Darum steht die Herrengruppe überall in engster Verbindung mit der Priesterschaft, die sich, wenigstens in allen leitenden Stellungen, fast immer aus ihren Söhnen ergänzt und an ihren politischen Rechten und ökonomischen Privilegien ihren Anteil hat. […]
Der gesamte Text findet sich hier:
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Englisches Original:
Franz Oppenheimer: The State (1909) - Excerpts
Of the emergence of the state: the conquest and overlaying of place-bound peasant cultures by militarily superior warrior groups.
So what is the state in sociological terms? The very history of the word tells us. It comes from the Italian of the Renaissance period. There it denoted the prince, who had come to rule, mostly by force, together with his appendix: "The rulers and their appendix are called lo stato, and this name was then allowed to usurp the meaning of the entire existence of a territory," says Jakob Burckhardt. Thus Louis XIV was right in a deeper sense than he himself suspected with his lofty words: "L'Etat c'est moi". In our word "Hofstaat" the old meaning still lives on. It is "the law according to which it began," and that is what the state has remained. It is, according to its origin, entirely, and, according to its nature, in its first stages of existence, almost entirely, a social institution, imposed by a victorious group of men upon a defeated group of men, with the sole purpose of regulating the rule of the first over the last, and of securing it against internal revolts and external attacks. And the domination had no final intention other than the economic exploitation of the vanquished by the victors. No primitive "state" in the history of the world has come into being otherwise. [...]
Everywhere a warlike savage tribe breaks over the borders of a less warlike people, establishes itself as nobility and founds its state. In Mesopotamia wave upon wave and state upon state: Babylonians, Amorites, Assyrians, Arabs, Medes, Persians, Macedonians, Parthians, Mongols, Seljuks, Tatars, Turks; on the Nile Hyksos, Nubians, Persians, Greeks, Romans, Arabs, Turks; in Hellas the Dorian states, typical coinage; in Italy, Romans, Ostrogoths, Lombards, Franks, Normans, Germans; in Spain, Carthaginians, Romans, Visigoths, Arabs; in Gaul, Romans, Franks, Burgundians; in Britain, Saxons, Normans. Wave after wave of warlike savage tribes also poured over India down to Insulindia, also over China; and in the European colonies everywhere the same type, where only a settled population element was found: in South America, in Mexico. But where this is lacking, where only wandering hunters are found, whom one can destroy, but not subjugate, one helps oneself by importing from far away the mass of people to be exploited, who are obliged to work as slaves: slave trade! [...]
There are two fundamentally opposed means by which man, set in motion everywhere by the same impulse to care for life, can obtain the necessary means of satisfaction: Labor and robbery, own labor and forcible appropriation of foreign labor. "Robbery! Forcible appropriation!" To us contemporaries of a developed culture, built precisely on the inviolability of property, both words sound like crime and penitentiary; and we cannot get rid of this timbre even when we convince ourselves that land and sea robbery under primitive living conditions are by far the most respected trades, just as the war trade - which for a very long time is also only organized mass robbery. [...]
The primitive hunters, however, live in practical anarchy. In general, all adult men are equal within the tribe. [...] The social formations of the primitive farmers have hardly more similarity with a "state" than the hunter hordes. Where the farmer working the soil with the hoe lives in freedom - the plow has always been the characteristic of a higher form of economy, which occurs only in the state, namely the large-scale economy operated by subjugated servants -, there is still no "state". Isolated from one another, widely scattered in individual farmsteads, perhaps villages, fragmented by disputes over district and field boundaries, they live at best in loose confederations, held together only loosely by the bond which the consciousness of the same descent and language and of the same faith wraps around them. Rarely, perhaps once a year, are they united by the common celebration of famous ancestors or of the tribal deity. There is no authority ruling over the whole; the individual village chiefs, or at most district chiefs, have more or less influence in their limited circle, depending on their personal qualities, especially on the magic power attributed to them.
As Cunow describes the Peruvian peasants before the Inca invasion, so were and are the primitive peasants everywhere in the Old and New World: "an unregulated coexistence of many independent, mutually feuding tribes, which in turn split again into more or less independent territorial associations held together by ties of kinship". In such a state of society, the coming into being of a warlike organization for purposes of attack is hardly conceivable. It is difficult enough to mobilize a district or even a tribe for common defense. The farmer is just immobile, grounded, like the plant he grows. He is actually "bound to the sheol" by his farm even if he is legally free to move. And what purpose should a raid serve in a country largely occupied only by peasantry? The peasant can take nothing from the peasant that he does not already possess himself. To each of them, a little work in the extensive culture of a state of society distinguished by an abundance of field land brings as much as he needs; more would be superfluous to him, his acquisition would be lost effort, even if he could keep the captured grain longer than is possible in such primitive conditions, where it quickly perishes through weather influences or ant infestation and the like. According to Ratzel, the Central African farmer must transform the surplus part of his harvest into beer as quickly as possible in order not to lose it completely! For all these reasons, the primitive peasant completely lacks the warlike offensive spirit that characterizes the hunter and herdsman: war can bring him no benefit. And this peaceful mood is reinforced by the fact that his occupation does not exactly make him fit for war. He may be muscular and persevering, but of slow movements and hesitating resolution, while the hunter and the herdsman are trained by their occupation to quickness and swiftness of action. Therefore the primitive peasant is mostly of a gentler disposition than those. In short, in the economic and social conditions of the peasant district there is no differentiation that would urge higher forms of integration, there is neither the urge nor the possibility of warlike subjugation of the neighbors, therefore no "state" can arise, and never has arisen. If no impulse had come from outside, from groups of people of a different type of nutrition - the primitive peasant would never have invented the state. [...]
Even the peasant, with his undisciplined rural army, consisting of untrained lone fighters, cannot withstand the onslaught of the rice-fed herdsmen in the long run, even if he fights in strong superior numbers. But the peasant does not evade, because he is down-to-earth; and the peasant is already accustomed to regular work. He remains, allows himself to be subdued, and controls his conqueror: this is the emergence of the landed state in the Old World! In the New World, where the great grazing animals, cattle, horses, camels are not originally present, the shepherd is replaced by the superior hunter, still infinitely superior to the hoe farmer by skill in arms and martial discipline. "The culture-generating contrast of pastoral and agricultural peoples in the Old World is reduced in the New to the contrast of migratory and resident tribes. [...]
Nowhere is it so clear as here on the border of nomadic and arable peoples that the great effects of the culture-promoting impulses of the nomads do not arise from peaceful cultural activity, but as warlike endeavors first counteract peaceful ones, even harm them. Their importance lies in the talent of the nomads to energetically unite the sedentary and easily disintegrating peoples. But this does not exclude that they can learn a lot from their subjects. But what all these industrious and skilful people do not have and cannot have is the will and the power to rule, the warlike spirit and the sense of state order and subordination.
In the emergence of the state from the subjugation of an agricultural people by a pastoral tribe or by sea nomads, six stages can be distinguished. When we describe them in the following, it is not the opinion as if the real historical development had been forced to climb the whole staircase, step by step, in every single case. It is true that nothing here is theoretical construction; each individual step is found in numerous representatives in world history and ethnology, and there are states which have apparently completed them all. But there are more who have skipped one or more of the stages.
I. The first stage is the war of robbery and murder on the frontier: the battle rages without end, knowing neither peace nor truce. Slain men, carried off children and women, stolen herds, burning homesteads! If the attackers are sent home with bloody heads, they come back in stronger and stronger groups, united by the duty of blood revenge. From time to time the Confederation rallies, gathers the peasant army, and perhaps succeeds once in capturing the fugitive enemy and preventing him from returning for a while; but the mobilization is all too cumbersome, the rations in the desert all too difficult for the peasant army, which, like the enemy, does not have its source of food, the herds, with it [...] - and finally the spirit of the church is powerful, and at home the fields lie fallow. Therefore, even in such cases, in the long run, the small but united mobile power almost always triumphs over the larger fragmented mass, the panther over the buffalo. This is the first stage of state formation. It can stand on it for centuries, perhaps millennia. [...]
To the first stage are also to be counted the mass marches known from the whole history of the ancient world, as far as they were not aimed at conquest, but only at plunder, mass marches, as Western Europe suffered from the Celts, Teutons, Huns, Avars, Arabs, Magyars, Tatars, Mongols and Turks from the land and from the Vikings and Saracens from the water. They flooded whole parts of the earth far beyond the usual area of predation, disappeared, returned, seeped away and left only a desert. Often enough, however, they proceeded directly to the sixth and last stage of state formation in a part of the flooded territory, by establishing a permanent dominion over the peasant population. [...] One has only to step back far enough, to choose the point of view so high that the colorful play of details no longer hides the great mass movements from us; then the "modi" of the fighting, wandering, working mankind disappear from our view, and their "substance", their eternally same, eternally renewed, their lasting in change, reveals to us their "monotonous" laws.
II. Gradually the second stage develops out of this first, especially when the peasant, staggered by a thousand failures, has surrendered to his fate and renounced all resistance. Then it begins to dawn on even the savage shepherd that a farmer struck dead can no longer plow, a fruit tree cut down can no longer bear. In his own interest he lets the farmer live and the tree stand, if it is possible. The ricey expedition still comes, armed, but no longer actually in anticipation of war and violent appropriation. It burns and murders only as much as is necessary to maintain salutary respect or to break isolated defiance. But in general, in principle, according to a firmly established customary law - the first germ of all state law! - the shepherd takes only the abundance of the peasant. That is, he leaves him house, tools and enough food until the next harvest. A comparison: the shepherd in the first stage is the bear who destroys the beehive by robbing it; in the second he is the beekeeper who leaves him enough honey to overwinter. A tremendous step forward between the first and second stage! Economically and politically a tremendous step! For at first the acquisition of the shepherd tribe was purely occupational; relentlessly the enjoyment of the moment destroyed the source of wealth of the future; now the acquisition is economic, for all economic activity means wise husbandry, limiting the enjoyment of the moment for the sake of the future. The shepherd has learned to "capitalize". This is the beginning of all servitude, oppression and exploitation, but it is also the beginning of a higher social formation that goes beyond the kinship family; and already, as we have seen, the first thread of a legal relationship between robbers and robbed is stretched across the gulf that had hitherto gaped between the nothing-but-deadly enemies. The peasant receives a kind of right to the necessities of life; it becomes an injustice to kill or completely plunder the unresisting. And better than that! Finer, more delicate threads weave into a still very weak web more human relations than those contained in the brutal customary pact of division along the lines of the partitio leonina. Since the shepherds no longer meet the peasants in a raging battle, a humble request is granted or a well-founded complaint is heard. The categorical imperative of equity, "do unto others as you would have them do unto you," which the shepherd also strictly obeys in his dealings with his own blood and tribal comrades, begins to speak for the first time, still quite timidly and quietly, also for the foreigner of blood. Here is the seed of that grandiose process of external fusion which has created the nations and confederations of nations out of the small hordes and will one day fill the concept of "mankind" with life; here likewise the seed of the internal unification of the once fragmented, which led from the hatred of the βάρβαροι to the all-embracing love of man of Christianity and Buddhism. The nation and the state, the law and the higher economy, with all the developments and ramifications which they have already driven and will still drive, arose together in that moment of incomparable world-historical significance in which first the victor spared the vanquished in order to manage him permanently. The root of everything human dives into the dark soil of the animal, love and art no less than state, law and economy. Soon another one comes along to tie those spiritual relations even closer. There are other tattletales in the desert besides the bear, now transformed into the bee father, who also lust after honey. Our shepherd tribe blocks them from the wild, he protects "his" hive with the gun. The peasants get used to calling the shepherds when they are in danger; already they appear no longer as the robbers and murderers, but as the protectors and saviors. Imagine the jubilation of the peasants when the band of avengers brings the robbed women and children back to the village, together with the heads or scalps of the robbers that have been cut off. What is tied here is no longer threads, but a bond of tremendous strength and tenacity. Here the most noble force of "integration" is shown, which in the further course will finally forge a people with one language and custom and one national feeling out of the two ethnic groups originally foreign to blood, often enough foreign to language and race: common suffering and hardship, common victory and defeat, common rejoicing and lamentation of the dead.
A new vast field has opened up in which masters and servants serve the same interests; this generates a current of sympathy, of togetherness. Each part senses and recognizes more and more the human being in the other; the similarity of disposition is felt, whereas before only the differences in outward appearance and costume, in the foreign language and religion, aroused hatred and aversion. One learns to communicate, first in the actual sense, through language, then also psychologically; the network of psychic connections becomes ever denser. In this second stage of state formation, everything essential is already contained in the plant. No further step can compete in importance with that which led from the bear stage to the beekeeper stage. We can therefore content ourselves with brief hints.
III. The third stage consists in the fact that the "surplus" of the peasantry is regularly delivered by them as "tribute" to the camp of the shepherds, an arrangement which obviously has significant advantages for both parts. For the peasants, because the small irregularities, which were connected with the past form of the taxation: a few slain men, raped women and burned homesteads, now completely disappear; for the shepherds, because they do not have to spend any more "expenses" and work for this "business", to express themselves completely commercially, and can use the freed time and strength on "extension of the enterprise", i.e. in other words, subdue new peasantry. This form of tribute is already very familiar to us from historical times, Huns, Magyars, Tatars, Turks drew their best income from the European tributes. Under certain circumstances, the character of a tribute, which the subjugated have to pay to their masters, can be more or less blurred here, and the service takes on the appearance of a protection money or even a subsidy. One knows the legend of Attila, whom the imperial imbecile in Byzantium had depicted as his liege lord, because the tribute appeared to him to be auxiliary money.
IV. The fourth stage means again a very important step forward, because it brings the decisive condition for the emergence of the "state" in its external form familiar to us: the spatial unification of the two ethnic groups on one territory. (As is well known, no legal definition of the state can do without the concept of the territory of the state). From now on, the originally international relations of both groups turn more and more into intranational ones. [...] The duty of protection against the "bears" forces them to keep at least a posse of young warriors near the hive, and this is at the same time a good precautionary measure to keep the bees back from rebelliousness or any inclination to set another bear as bee father over them. Because also this is not rare. [...] But where either the land is unsuitable for large livestock - as, for example, Western Europe almost everywhere - or where a less unwarlike population suggests attempts at uprising, there the master population becomes more or less sedentary, sitting, of course, at fixed or strategically important points, in tent camps or castles or cities. From here they rule over their "subjects", about whom, incidentally, they care no further than tribute law requires. Self-government and worship, jurisdiction and economy are left entirely to the subjects; indeed, even their autochthonous constitution, their local authorities, remain unchanged.
V. But from this fourth, the logic of things leads quickly to the fifth stage, which is now almost the full state. Disputes arise between neighboring villages or districts, the violent settlement of which the lordly group cannot tolerate, since the "prestation ability" of the peasants would have to suffer thereby; it throws itself up as arbitrator and enforces its verdict in case of emergency. Finally, at the "court" of each village king or Gauhaupt, it has its official representative, who exercises power, while the old lord retains the appearance of power. [...]
VI. The necessity of keeping the subjects in raison and at full capacity leads step by step from the fifth to the sixth stage, namely, to the formation of the state in every sense, to full intranationality, and to the development of "nationality". The compulsion to intervene, to arbitrate, to punish, to enforce becomes more and more frequent; the habit of ruling and the customs of domination are formed. The two groups, first spatially separated, then united in one area, but still only first laid side by side, then shaken together, a mechanical "mixture" in the sense of chemistry, become more and more a "chemical compound". They interpenetrate, mingle, merge in custom and usage, language and worship into a unity, and already threads of consanguinity are stretching from the upper to the lower classes. For everywhere the master race chooses the most beautiful virgins of the subjugated as kebs, and a tribe of bastards grows up, soon assigned to the master class, soon rejected, and then, by virtue of the master's blood rolling in their veins, the born leaders of the ruled. The primitive state is ready.
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[...] Let us speak first of integration! The network of spiritual relations, which we have already seen knotted in the second stage, becomes ever denser and tighter in the measure in which the material fusion, which we have described, advances. The two dialects become one language, or one of the two, often quite different, languages disappears, sometimes that of the victors (Lombards), more often that of the vanquished. The two cults merge into one religion, in which the ancestral god of the victors is worshipped as the chief god, while the old gods become sometimes his servants, sometimes his enemies: demons or devils. The outward type assimilates to each other under the influences of the same climate and similar attitude to life; where a strong difference of types existed and is maintained, at least the bastards fill the gap to some extent, and the type of the enemies beyond the borders is gradually felt by all more strongly as an ethnic contrast, as "foreign", than the still existing contrast of the now united types. More and more, masters and servants learn to regard themselves as "their equals," at least in relation to the strangers outside. Finally, the memory of the different ancestry often disappears completely; the conquerors are regarded as sons of the old gods - they often are literally, since these gods are sometimes nothing else than the souls of the ancestors, deified by apotheosis. The more acutely in the clash of the neighboring "states," which are, after all, much more aggressive than before the neighboring communities of blood, the feeling of segregation of all the inmates of the state circle of peace from the foreign strangers becomes pronounced, the stronger within becomes the feeling of togetherness; and the more the spirit of brotherhood, of equity, takes root here, which formerly prevailed only within the hordes and now still prevails within [p. 50] the aristocratic community. These are, of course, very weak threads from top to bottom; equity and fraternity are given only so much room as the right to the political means permits: but so much room they are given! And above all it is the legal protection inwardly which weaves an even stronger bond of spiritual fellowship than the protection of arms outwardly. Justitia fundamentum regnorum! If the Junkerschaft as a social group "by right" executes a Junker manslayer or robber who crossed the border of the right of exploitation, then the subject thanks and cheers even more heartily than after a won battle. These are the main lines in the development of psychic integration. The common interests in legal order and peace produce a strong common feeling, a "state consciousness", as it can be called.On the other hand, as in all organic growth, an equally powerful psychic differentiation takes place pari passu. The group interests generate strong group feelings; upper and lower classes each develop a "group consciousness" according to their special interests. The special interest of the master group consists in maintaining the valid right of the political means imposed by it; it is "conservative". The interest of the dominated group is, on the contrary, to abolish this right and to replace it by a new right of equality of all the inmates of the state: it is "liberal" and revolutionary. [...]As long as the relations of the two groups were merely the international ones of two border enemies, the political means needed no justification. For the blood stranger has no right at all. But as soon as psychic integration has to some extent developed the communal feeling of the state consciousness, as soon as the bonded servant has acquired a "right," and to the extent that the consciousness of sameness deepens, the political means requires justification, and in the master group the group theory of "legitimism" arises. Legitimism justifies domination and exploitation everywhere with the same anthropological and theological reasons. The master group, which recognizes courage and warrior ability as the only virtues of man, declares itself, the victors - and from its point of view quite rightly - as the more capable, better "race", a view which is reinforced the more the subjugated race comes down to hard work and slender fare. And since the tribal god of the master group has become the supreme god in the new state religion created by fusion, it declares - again from its point of view quite rightly - the state order to be God-willed, to be "taboo". By simple logical inversion, on the other hand, the subjugated group appears to it as such of a worse race, as stubborn, treacherous, indolent and cowardly, and quite incapable of governing and defending itself; and every revolt against the rule must necessarily appear to it as an outrage against God himself and his moral law. That is why the lordly group is everywhere in the closest connection with the priesthood, which, at least in all leading positions, is almost always supplemented by its sons, and has its share in its political rights and economic privileges. [...]
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