RECONQUISTA

  • Die Indogermanen - Teil 1

     

    Die Indogermanenfrage ist ein Mythos der Vorgeschichtsforschung. Zwei plausible Theorien über die Herkunft jenes rätselhaften Volkes, das die indogermanische Sprache einst hervorgebracht haben soll, sind seit dem späten 19. Jahrhundert vor allen Dingen in Deutschland entwickelt worden: Die einen vermuteten einen Ursprung in Nordeuropa und einen engen Bezug zum Volk der Germanen, die anderen glaubten an eine Herkunft aus der ukrainischen Steppe. Später kam noch ein dritter Ansatz dazu: Die Idee, die indogermanische Sprache habe sich in Kleinasien entwickelt und mit der Ackerbau treibenden Bandkeramischen Kultur nach Europa ausgebreitet.

    Die Steppentheorie findet derzeit die meisten Anhänger und ist auch bei Forschern der der neu entstandenen Disziplin der Archäogenetik sehr populär: Sie untersuchen Haplogruppen[1] und genetische Komponenten aus menschlichen Überresten, die in Europa und in anderen Teilen der Welt gefunden werden und versuchen, Schlüsse über vorzeitliche Völkerbewegungen zu ziehen. Es gibt jedoch, wie wir sehen werden, gute Gründe anzunehmen, daß die Steppentheorie falsch ist, daß jene Steppenvölker lediglich ein Zwischenstadium, den östlichen Zweig der indogermanischen Völkergruppe repräsentieren und daß der Ursprung in einer noch ferneren Vergangenheit in Nordeuropa zu suchen ist. Wir wollen uns daher grundsätzlich mit dieser Thematik befassen und untersuchen, welche Schlüsse sich aus dem gegenwärtigen Stand der Forschung ziehen lassen.

    Prolog - Älteste Mythen

    „Indogermanisch“ ist in erster Linie ein linguistischer Begriff und bezeichnet eine Gruppe ähnlicher europäischer und asiatischer Sprachen. Schon früh ist allerdings die Ansicht vertreten worden, daß jene Sprachfamilie auf ein Volk bzw. auf eine bestimmte Kultur zurückzuführen ist, deren Angehörige eine indogermanische Ursprache, das sogenannte Proto-Indogermanisch gesprochen haben. Neben der Erkenntnis, daß die Menschen vieler alter Zivilisationen Sprachen verwendet haben, die eng verwandt sind und wohl aus derselben Wurzel stammen, daß also irgendwo eine frühe Kultur existiert haben muß, deren Abkömmlinge in dem Gebiet zwischen Westeuropa und Indien neue Staaten gegründet haben, gibt es noch eine andere, verwandte Theorie, die heute wenig Beachtung findet. Einer der ersten, der sie vertreten hat, war bereits 1885 der Direktor der Universität von Boston, William Warren, in seinem Buch „Paradise found“.[2] Warren untersuchte mythologische Texte und alte Überlieferungen aus verschiedenen Zivilisationen und erkannte eine prägnante Übereinstimmung: Viele indogermanisch sprechende Völker, daneben aber auch andere bedeutende Kulturen, hatten Gründungsmythen, die sich stark ähneln. Ägypter, Akkader, Assyrer und Babylonier, Hebräer und Phönizier, Perser und Indo-Arier, Griechen, Römer und Etrusker, Kelten, Germanen und Finnen – ja sogar Japaner und Chinesen glaubten, daß ihre Vorfahren aus einem Land stammen, das in der Nähe des Nordpols oder am Pol selbst lag. Diese Vorfahren, so die gemeinsame Überlieferung, haben aus ihrer Heimat fliehen müssen, weil sie durch einen Kälteeinbruch unbewohnbar geworden sei, und sie seien nach langer Wanderzeit schließlich an ihren neuen Wohnstätten angekommen. Die Mythen berichten aus einer Welt, in der Sonne, Mond und auch die Sterne nicht „auf- und untergehen“, wie in ihrer neuen Umgebung, sondern um einen zentralen Punkt am Firmament kreisen. An dieser Stelle, dem Drehpunkt, habe ein spitzer Berg gestanden, der „Mitternachtsberg“, und den Himmel getragen; in mancher Überlieferung wird aus dem Berg eine Himmelssäule oder eine Säule, die auf einem Berg steht. Am Fuße des Berges lag das irdische Paradies, Eden, das mit der alten Heimat dieser Völker identisch ist; dort entsprangen auch vier Flüsse und ergossen sich die die vier Himmelsrichtungen. An der Stelle aber, wo er das Firmament berührte, am zentralen Dreh- und Angelpunkt der Welt, lag das himmlische Paradies, hier war auch der Sitz Gottes oder der Götter. Die Erde war in der Vorstellung dieser alten Mythologie nicht etwa flach, sondern kugelförmig – dem Mitternachtsberg gegenüber, am Südpol, existierte eine zweite Erhebung, unter ihr erstreckte sich das Reich der Dämonen. Hier, auf der Südhalbkugel, befand sich auch die „Unterwelt“, das Totenreich. Warren lokalisierte das verlorene Atlantis, Avalon und Hyperborea in dem alten Land in der Nähe des Nordpols.

    Inspiriert durch Warren schrieb der indische Gelehrte Bal Gangadhar Tilak zwei Bücher über die Mythen der alten Inder. In „Orion“ (1893) und „Die arktische Heimat in den Veden“ (1898) konnte er zeigen, daß die heiligen indischen Texte sehr deutlich und detailliert eine Umwelt schildern, die nur nördlich des Polarkreises gedacht werden kann. Die Gestirne gingen nicht im Osten auf und im Westen unter, sondern drehten sich wie „auf einer Töpferscheibe“ über dem Kopf der frühen Inder. Das Jahr bestand aus einem einzigen, langen Tag und einer Nacht, die mehrere Monate andauerte; dazwischen lag eine mehrmonatige Dämmerungsphase. Eis und Schnee erzwangen eine Abwanderung nach Süden. Solche Beobachtungen können an den heutigen Wohnsitzen der indogermanisch sprechenden Völker nicht gemacht worden sein. Sie können auch nicht erfunden sein – die Annahme, daß all diese Mythen das Ergebnis eines langandauernden Aufenthaltes eines Volkes in einem Gebiet nördlich des Polarkreises sind, ist gewissermaßen zwingend.

    Eine Reihe von Indizien verbindet weitere, von Warren nicht genannte Kulturen mit dem rätselhaften Volk aus dem Norden: Auch Karl Penka erforschte bereits 1905 die enge Verwandtschaft der Mythen alter Hochkulturen.[3] So finden sich etwa übereinstimmende Schilderungen einer Sintflut nicht nur im hebräischen Alten Testament der Bibel und im sumerischen Gilgamesch-Epos, sondern auch bei den Griechen und Germanen, den alten Indern, in China und sogar in Ozeanien und bei den Indianern. Ernst Krause entdeckte Motive aus Ilias und Odyssee in den religiösen Überlieferungen zahlreicher anderer Völker[4] und nahm einen Ursprung der Geschichten in Skandinavien an. Es existiert eine ganze Reihe solcher Parallelen. Heute wird gerne angenommen, daß hier die eine Kultur bei der anderen „abgeschrieben“ hat – doch wesentlich wahrscheinlicher ist es, daß alle diese Mythen aus derselben Quelle stammen und sich von einem Ursprungsort aus über die Welt verbreitet haben.

    H. K. Horken beschreibt ein ähnliches Phänomen:[5] „Vergleicht man chinesische, indische, mesopotamische, ägyptische, minoische, mykenische, mittel- und südamerikanische Kulturerzeugnisse aus frühester Zeit, so fällt eine eigentümliche geistige Verwandtschaft auf. Solche nach allgemeiner Auffassung durchaus verschiedenen Kulturen entstammende Kunstwerke ähneln einander auffallend nach Form und Stil, in dem, was man auszusagen wünschte. Es wäre noch erstaunlich genug, aber doch immerhin erklärlich, wenn sich dergleichen in den einzelnen Kulturen mit dem wachsenden Wissen um die Existenz und Lebensweise anderer Kulturkreise immer deutlicher herausgebildet hätte. Aber so ist es nicht, es verhält sich genau umgekehrt! Die frappantesten Ähnlichkeiten erscheinen in den ersten Anfängen und klingen ab mit dem Fortschreiten der einzelnen Kulturepochen, verlieren sich allmählich, verschwinden schließlich ganz, gerade zu dem Zeitpunkt, wo gewisse gegenseitige Kontakte sich anzubahnen beginnen. Ein seltsamer Vorgang!“

    Eine vergleichbare Übereinstimmung lässt sich weltweit auch bei der Symbolik alter Völker beobachten, und selbst unsere Märchen scheinen uralt zu sein. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, daß sie aus einer Quelle stammen und daß sich gewisse Grundmotive bei Kulturen in aller Welt wiederfinden. Es wird auch hier ein gemeinsamer Ursprung in der Steinzeit angenommen.

    Wir können an dieser Stelle, bevor wir uns weitergehenden Betrachtungen zuwenden, eine erste Bilanz ziehen: Die Veden sind mindestens 3.000 Jahre alt und beschreiben ein Zeitalter, das schon damals in einer fernen Vergangenheit lag. Warren hatte noch geglaubt, einen gemeinsamen Ursprung der gesamten Menschheit am Nordpol annehmen zu müssen. Wir wissen heute, daß er sich geirrt hat: Der Nordpol war, solange es Menschen gibt, unbewohnbar, und Homo Sapiens stammt nach allem, was wir wissen, aus südlicheren Gefilden.[6] Vor tausenden von Jahren also muß eine Gruppe von Menschen über sehr lange Zeit in einem Gebiet in der Nähe des Nordpols gelebt haben, zumindest deutlich nördlich des Polarkreises. Eine Klimaverschlechterung erzwang ihre Abwanderung nach Süden. Und, das ist das Erstaunliche: Wohin auch immer sie kamen, entstanden Hochkulturen, deren herausragende Leistungen uns bis heute beeindrucken. In den Mythen der alten Zivilisationen treten sie oft als Götter auf oder als Riesen, als Lichtbringer und Reichsgründer in grauer Vorzeit. Es wird sich also um ein Volk mit besonderen Begabungen gehandelt haben, die es vielleicht, genetisch isoliert in einer lebensfeindlichen, arktischen Umgebung, durch einen harten Ausleseprozeß erworben hat. Seine Errungenschaften waren so erstaunlich, daß mehrere moderne Autoren ernsthaft einen außerirdischen Ursprung der frühen Hochkulturen in Erwägung gezogen haben, und nicht wenige Menschen halten das für plausibel.

    Der Weg führte jene Emigranten aus dem Norden in verschiedene Teile der Welt, die bereits von anderen Menschen bewohnt waren, mit denen sie sich nun verbanden. Da es sich um eine jeweils unterschiedliche Vorbevölkerung handelte, veränderte sich auch die Ursprache der Nordleute, und es entstanden die verschiedenen Varianten der indogermanischen Sprachfamilie. In manchen dieser Gebiete, fern der alten Heimat, waren sie ihrer Zahl nach zu schwach, um ihre Sprache durchzusetzen: dort sind sie also linguistisch kaum noch zu fassen. Wir erkennen ihre Präsenz dann lediglich an dem Aufblühen einer alten Kultur und an den Symbolen und Mythen, die sie mitbrachten und die sich bis in unsere Gegenwart erhalten haben. Wer waren diese Menschen? Woher kamen sie? Wie sahen sie aus? Warum mußten sie ihre Heimat verlassen? Was ist aus ihnen geworden? Sind sie ausgestorben, oder haben ihre Nachkommen bis in unsere Zeit überlebt? Gab es eine alte Zivilisation, aus der alle anderen frühen Kulturen entstanden sind? Und wenn ja: Warum finden wir ihre Überreste nicht? Und schließlich: Warum beschäftigt sich die aktuelle Vorgeschichtsforschung nicht mit diesem doch überaus interessanten Thema?

    Wir werden die Betrachtung in den nächsten Ausgaben unserer Zeitschrift fortsetzen und versuchen, nach und nach alle diese Fragen zu beantworten.

     

    Anmerkungen

    [1] mehr Informationen zum Thema Haplogrupppen in der Genetik-Serie in Reconquista, ab Ausgabe 3/2-2017

    [2]Warren, William F.: Paradise found. The Cradle of the Human Race at the North Pole (1885)

    [3] Penka, Karl: Die Flutsagen der arischen Völker (Leipzig und Berlin 1905)

    [4] Krause, Ernst: Tuiskoland. Der arischen Stämme und Götter Urheimat. Erläuterung zum Sagenschatz der Veden, Edda, Ilias und der Odyssee. (Glogau 1891)

    [5] Horken, H.K.: Ex Nocte Lux. Enträtselte Urgeschichte im Licht jüngster Forschung (Tübingen 1972)

    [6] Es gibt am Nordpol ja auch keinen Berg oder eine Säule, die den Himmel trägt. Daraus läßt sich schließen, daß die entsprechenden Beobachtungen nicht am Pol selbst gemacht worden sind, sondern bloß in seiner Nähe, daß man also den nördlichsten Punkt niemals erreicht hat. Man hat aus der Konstellation der Gestirne auf die Existenz einer Himmelssäule lediglich geschlossen.

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Geleitwort Reconquista 1/2020


Europa - ein Erbe der Germanen


Auf dem Weg in die Öko-Diktatur?


"Ich kontrolliere alles und jeden" - der Fall Epstein