RECONQUISTA

  • Germanicus - eine römische Legende

    Ich Germanicus - Feldherr. Priester. Superstar!“, ist der Titel einer Sonderausstellung, die zur Zeit im Museumspark Kalkriese bei Osnabrück zu sehen ist. Sie entwirft ein Bild der römischen Politik gegenüber dem freien Germanien nach der Schlacht im Teutoburger Wald vor 2000 Jahren.  Zentrales Ereignis und Anlaß der Ausstellung sind die Feldzüge des Germanicus in den Jahren 15 und 16 n. Chr. Die Gestalt des Germanicus wird zwar in dieser Ausstellung demonstrativ in den Vordergrund gerückt, der eigentliche Held der Geschichte aber ist sein großer Gegenspieler, der Germanenfürst Arminius, der als „Hermann der Cherusker” zum Mythos wurde. Vergessen wird dabei oft, daß es dieser Germanenfürst war, der nach der Schlacht im Teutoburger Wald einen viele Jahren dauernden Kampf führte, an dessen Ende es ihm gelang,  Germanicus und mit ihm das Römische Reich endgültig in die Schranken zu weisen.Sechs Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Wald machte sich Germanicus an der Spitze einer gewaltigen Streitmacht auf den Weg in das freie Germanien, um Rache zu nehmen für die Demütigung des römischen Weltreiches. Sein Ziel war es, das rechtsrheinische Germania Magna, das sich zu dieser Zeit bis hinter die untere Weichsel und weit in das nachmalige Polen erstreckte, zumindest bis zur Elbe zu erobern. Ein freies Germanien war dem Imperium ein Dorn im Auge. Sein Hauptgegner war dabei der Cherusker-Fürst Arminius, der es geschafft hatte, die germanischen Stämme zu einem Bund zusammenzuführen. Den Einiger Germaniens galt es zu vernichten. Trotz vielfacher Überlegenheit und zahlreicher gewonnener Schlachten scheiterte das Imperium schließlich an dem beharrlichen Widerstand der Germanen und mußte seinen Eroberungs-Versuch im Jahre 16 n. Chr. endgültig aufgegeben.

    Das Wunder an der Elbe 

    Die zentrale Rolle in den Ereignissen vor 2000 Jahren nimmt der römische Feldherr Germanicus ein, dessen Vater Drusus ebenfalls als Feldherr bereits in den Jahren 12-9 v. Chr. mehrere militärische Vorstöße in das rechtsrheinische Germanien unternommen hatte. Drusus war dabei bis zur Nordsee vorgedrungen, hatte einen Kanal zwischen Rhein und  Ijsselmeer anlegen lassen, war in das Gebiet der Cherusker vorgestoßen und hatte die Elbe in der Gegend von Magdeburg erreicht. Dort soll ihm der Legende nach eine riesenhafte Göttin erschienen sein, die ihm vor einem weiteren Vordringen in das Germanenland gewarnt und großes Unheil prophezeit habe. Schon kurz nach der „Umkehr an der Elbe“ fand Drusus einen ungewöhnlichen Tod. Er starb auf dem Rückzug nicht im Kampf, sondern nach einem Sturz vom Pferd. Dem toten Drusus wurden zahlreiche Ehrungen zuteil, obwohl seine Bemühungen um die Unterwerfung Germaniens letztlich ergebnislos waren, erhielt er den Ehrentitel „Germanicus“, was ihn als Germanen-Bezwinger ausweisen sollte. Und so haftet dem Namen von Anfang an die Euphorie eines Triumphes wie auch der Ruch des Scheiterns an. Die Begeisterung für ein unvollendetes Projekt wurde mit dem Ehrennamen auf den 15 v. Chr. geborenen Sohn des Drusus übertragen, der unter dem Namen „Germanicus“ in die Geschichte einging. Germanicus war ein Sproß des auf Julius Cäsar zurückgehenden julisch-claudischen Kaiserhauses, er war zugleich Großneffe und Stiefenkel des Kaisers Augustus. Wegen seiner Gelehrsamkeit und Klugheit sah Kaiser Augustus in ihm schon früh den idealen Nachfolger auf dem Kaiserthron. Auch die Bevölkerung Roms sah in dem schönen Knaben eine Lichtgestalt und brachte ihm ein Maß an Verehrung entgegen, das ihn zu einer Art „Superstar” im alten Rom werden ließ. Noch in späteren Jahrhunderten betrachteten die Römer ihn als Wiederverkörperung Alexanders des Großen, da er wie jener alle seine Zeitgenossen an Tugend, Tapferkeit und Tatkraft überragte und sein Werk nur durch seinen frühen Tod unvollendet blieb.Vernichtungskrieg im Namen RomsSchon in  jungen Jahren wurde Germanicus mit höchsten politischen und militärischen Ämtern betraut. Im Jahre 13 n. Chr. erhielt er den Oberbefehl über die römischen Truppen im besetzten Teil Germaniens, wo er eine Meuterei des römischen Heeres erfolgreich beendete. Im Jahr darauf begann er mit dem schon lange geplanten Angriff über den Rhein, der zuallererst eine Straf-Expedition gegen die freiheitsliebenden germanischen Stämme sein sollte. Das Ziel seiner Mission war klar: Vergeltung für den Mißerfolg seines Vaters und mehr noch: Rache für die schmähliche Niederlage, die Rom gegen die Cherusker erlitten hatte. Der Rachefeldzug zielte auf die totale Vernichtung des Gegners. Er richtete sich zunächst gegen den Stamm der Marser, in dessen Siedlungsgebiet an der oberen Ruhr die gesamte Bevölkerung, alle Männer, Frauen und Kinder ohne Gnade abgeschlachtet wurden. Die hier praktizierte Taktik der verbrannten Erde, die das angeblich die Zivilisation bringende Rom gegen die vermeintlich kulturlosen Barbaren zur Anwendung brachte, traf danach das angrenzende Territorium der Brukterer im Vorfeld des Teutoburger Waldes. Während Varus nur mit drei Legionen zur Eroberung Germaniens aufgebrochen war, stand Germanicus jetzt an der Spitze eines Heeres von acht Legionen, 80.000 Mann. Ein Drittel der gesamten römischen Streitmacht war aufgeboten, um den germanischen Widerstand niederzuringen. Von Mainz aus machte sich eine Flotte von 1000 Schiffen auf den Weg nach Norden, erreichte die Ems und stieß von dort aus in die Gegend der sechs Jahre zurückliegenden Schlacht im Teutoburger Wald vor. Dort fand man die schon in Verwesung begriffenen Reste des römischen Heeres. Germanicus ließ die umherliegenden Knochen einsammeln und in großer Eile vergraben, und beeilte sich, den Kampfplatz zu verlassen, um nicht eine erneute verheerende Niederlage Roms am historischem Ort zu riskieren. In Kalkriese hat man zahlreiche Knochengruben gefunden, die auf Germanicus zurückgeführt werden. Sie stellen das Schlüsselexponat der Ausstellung dar und sind das einzige archäologische Zeugnis, das auf eine Anwesenheit des Germanicus an diesem Ort hinweist. Germanicus unternahm einen erneuten Feldzug im Jahre 16 n. Chr., aber auch hier traf er auf die massive Gegenwehr der Cherusker und ihrer Verbündeten. In der Schlacht bei Idavisto (wohl: Evissen) an der Weser und am Angivarierwall westlich von Hannover fügten die Cherusker der römischen Invasionsarmee weitere schwere Verluste zu. Zwei Jahre war Germanicus im rechtsrheinischen Gebiet ohne entscheidenden Sieg unterwegs, so daß er sich auf die Verwüstung des Gebietes beschränkte. Tacitus resümierte später lapidar: „Das ganze Gebiet zwischen Ems und Lippe, nicht weit vom Teutoburger Wald, in dem die Überreste des Varus und der Legionen unbestattet lagen, wurde verwüstet.” Als auf der Rückfahrt über die Nordsee auch noch die römische Flotte, die den Hauptteil der Legionen aufgenommen hatte, in einem schweren Sturm geriet und erhebliche Verluste erlitt, rief Kaiser Tiberius den glücklosen Germanicus nach Rom zurück und beendete den Angriff auf Germanien. Siegesfeier und StarkultDa Germanicus zwei der verlorenen drei römischen Legionsadler als Ausbeute seiner Feldzüge mit nach Rom bringen kann, billigt ihm der Kaiser einen Triumphzug zu. In der öffentlichen Darstellung wird die Niederlage Roms in einen Sieg umgedeutet, und Germanicus als Sieger gefeiert. Mit der Herrschaft über das Nachrichtenwesen der damaligen Zeit verbreitet sich im ganzen römischen Reich die Legende vom großen Sieg des Germanicus, eine Legende, die über Jahrhunderte aufrechterhalten wird und das Geschichtsbild kommender Generationen bestimmt. Einzig bei den Germanen bleibt das Wissen erhalten, daß das römische Geschichtsbild falsch ist und es die Germanen waren, die die römische Aggression erfolgreich abgewiesen haben. Hermann der Cherusker rühmt sich nicht ohne Stolz, die Römer endgültig aus Germanien hinausgeworfen zu haben.Dennoch finden am 26. Mai des Jahres 17 n. Chr. die Siegesfeierlichkeiten in Rom statt. Die wiedergewonnenen Feldzeichen werden feierlich durch die Straßen getragen und als lebender Beweis des Sieges über Arminius wird dessen Gattin Thusnelda im Triumphzug mitgeführt. Nichts ist so bezeichnend für die Niedertracht der Römer und die innere Zerrissenheit der  Germanen wie das Bild dieses Triumphzuges. Thusnelda, die von Germanicus verschleppt wurde, trägt auf ihren Armen ihren in Gefangenschaft geborenen Sohn, während auf der Tribüne neben Germanicus ihr Vater Segestes steht, der sich mit Rom verbündet und sie an die Römer ausgeliefert hat.Die historische Größe des ArminiusZu Ehren des Germanicus werden im ganzen römischen Reich zahlreiche Standbilder und Triumphbögen errichtet. Er gilt als Verkörperung des Sieges über die Germanen und als Symbol römischer Weltherrschaft, auch wenn er sich darauf beschränkte, sich hinter den Rhein zurückzuziehen und die Rhein-Grenze zu sichern. Sicher ist: Der Sieg über die Germanen war eine Legende. Dennoch wurde er über seinen frühen Tod im Jahre 19 n. Chr. hinaus als einer der bedeutendsten Römer und als ein genialer Feldherr verehrt. Seine große Leistung kann man darin sehen, daß er durch die Etablierung einer Legende einen großen Beitrag zur Sicherung des römischen Herrschaftsmythos geleistet hat. Ein gerechtes Urteil der Geschichte wird oft durch die Beherrscher der Weltmeinung unmöglich gemacht. Es müßte Arminius, den Führer des germanischen Widerstandes, der erstmals die germanischen Stämme zwischen Rhein und Elbe in einem Bunde vereinigt hat, mindestens den gleichen Rang zubilligen, wie dem Feldherrn einer Großmacht, die nur dem Scheine nach den Widerstand der angeblichen Barbaren gebrochen hat. Die historische Leistung  des Arminius wird oft verkannt. Nicht der einmalige, vielgerühmte Sieg in der Schlacht im Teutoburger Wald muß als seine größte Leistung gelten, sondern erst der erfolgreiche jahrelange zähe Widerstand gegen den mit geballter Kraft vorgetragenen Vernichtungsfeldzug des Germanicus bedeutete die Rettung Germaniens vor der römischen Herrschaft. Was aber das Schicksal seines eigenen Stammes anbelangt, ist das Ergebnis so tragisch wie das seiner Frau und seines Sohnes.  Die von Kaiser Tiberius schon bei dem Rückzug des Germanicus empfohlene Strategie, die Germanen ihren inneren Streitigkeiten zu überlassen, hatte Erfolg. Nach dem Tod des Arminius 21 n. Chr. löste sich die cheruskische Führungsschicht in zahlreichen inneren Kämpfen auf und Tacitus berichtete um 100 n. Chr., daß das bis vor kurzem noch starke und mächtige Geschlecht der Cherusker bis auf einen „elenden Haufen” nicht mehr existierte.

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Aktuelles aus der Wissenschaft

Neue Frühmenschenart?
Forscher haben eine bisher unbekannte Frühmenschenart in einer Höhle in Südafrika entdeckt. Die zierlich gebauten Wesen besaßen erstaunlich moderne Füße, aber eher primitive Zähne und Schultern. Noch ist unklar, wie alt die Fossilien sind, doch die Anthropologen vermuten bereits Spektakuläres: Der Homo naledi getaufte Frühmensch könnte zu den frühesten Vertretern unserer Gattung gehört haben. Möglicherweise bestattete er sogar seine Toten.
Mitteilung der Max-Planck-Gesellschaft, eLIFE: 10

Mumifizierung in Europa?
Die Briten der Bronzezeit mumifizierten offenbar viele ihrer Toten vor der Bestattung. Gefundene Skelette sind zwar teilweise verwest, aber im Vergleich zu anderen Skelettfunden so gut erhalten, daß sie diesen Verdacht nahelegen. Sie zeigen genau wie die bekannten Mumien nur geringe Spuren von aktiven Verwesungsbakterien. Daraus schließen britische Forscher, daß Mumifizierung in der Bronzezeit eine verbreitete Praxis auf den britischen Inseln war – und vielleicht auch in ganz Europa.
Mumifizierung war demnach in der Bronzezeit weit verbreitet, sogar mit verschiedenen Techniken: „Unsere Forschung zeigt, daß das Räuchern über einem Feuer oder absichtliche Bestattung im Torfmoor zu den Methoden zählten, mit denen die alten Briten ihre Toten mumifizierten”, sagt Booth.
Diese Praxis hielt sich offenbar über mehrere Jahrhunderte. Doch bemerkenswerterweise unterscheiden sich die Mumien aus der Bronzezeit deutlich von älteren, aber auch von jüngeren Skelettfunden. Deren Knochen weisen alle typischen Spuren bakterieller Verwesung auf, sie wurden also nicht vor der Bestattung konserviert.
www.scinexx.de/wissen-aktuell-19378-2015-10-02.html

Unterschiedlicher kultureller
Gerechtigkeitssinn

Interessante Ergebnisse zur Frage eines kulturübergreifenden Gerechtigkeitssinnes ergab eine Studie eines Psychologen-Teams um Peter Blake von der Boston University mit Probanden aus Kanada, Indien, Mexico, Peru, Senegal, Uganda und den USA. Demnach zeigen zwar Kinder aller Kulturen das gleiche Gerechtigkeitsempfinden, wenn es etwa darum geht, gleich viel Süßigkeiten wie andere Kinder zu bekommen. Dieses Empfinden aber auch dann zu haben, wenn andere benachteiligt werden, zeigten laut der an 1600 Kindern zwischen vier und 16 Jahren durchgeführten Studie aber nur Kinder aus westlichen Ländern oder solche, die von westlichen Lehreren erzogen wurden. Da von westlichen Lehrern erzogene ugandische Kinder ein anderes Verhalten aufwiesen als Kinder des benachbarten Senegals, schlossen die Forscher darauf, daß es sich bei der Ablehnung der Benachteiligung anderer um anerzogene Verhaltensweisen handele. 
Nature, 2015; doi: 10.1038/nature15703