RECONQUISTA

  • Geleitwort zur ersten Ausgabe

    Es gibt in unserer Gegenwart ein gesellschaftliches Phänomen, das sich etwa so beschreiben lässt: Mehr und mehr Bewohner westlicher Staaten haben das bestimmte oder unbestimmte Gefühl, dass mit der Welt, in der sie leben, irgendetwas nicht in Ordnung ist. Da ist auf der einen Seite die stimmige gesellschaftliche Realität, wie sie sich uns in den institutionellen Medien darstellt, keine heile Welt zwar, aber dennoch eine, die uns ein Gefühl ethischer Geborgenheit vermittelt; die Sicherheit, in der Auseinandersetzung mit außenpolitischen Kontrahenten stets auf der richtigen Seite zu stehen, dazu die Gewißheit, in wohlgeordneten politischen Verhältnissen zu leben, die angesichts einer problematischen menschlichen Natur optimale Lebensbedingungen garantieren. Auf der anderen Seite aber steht die durch eigene Erfahrungen erschlossene Realität der einzelnen Bürger, die sich mit der medial vermittelten Welt immer weniger in Übereinstimmung bringen lässt. Man könnte das, was wir beobachten, als Anomalie bezeichnen, als eine Irritation, die dadurch entsteht, dass zwei Ebenen der Realität in zunehmendem Maße miteinander kollidieren.

    Dieses Empfinden ist keineswegs die Sache einiger weniger, politisch denkender Menschen, sondern es entwickelt sich zugleich in unterschiedlicher Ausprägung bei allen gesellschaftlichen Schichten. Aber obwohl die Überzeugung, dass etwas nicht stimmt, immer größere Teile der Bevölkerung erfasst, so lässt sich doch nicht ohne weiteres konkretisieren, was es ist. Gewiss, jeder kann Beispiele nennen, an welcher Stelle des gesellschaftlichen Gefüges gerade akute Probleme auftreten, man denke an die staatliche Überwachung der Bürger, die zunehmende Unsicherheit der eigenen wirtschaftlichen Situation oder an die Masseneinwanderung. Aber zugleich fällt es schwer, sich ein Bild des Gesamtzusammenhangs zu machen und die Ursachen, die treibenden Kräfte, die Gesetzmäßigkeiten zu erkennen und zu benennen, die hinter solchen konkreten Beobachtungen wirksam sind.

    Der Rückblick auf die letzten drei Jahrzehnte zeigt uns, dass die Lebensverhältnisse des Durchschnittsmenschen sich beständig verschlechtert haben, und auch wenn man uns stets neue, andere Gründe für diese Entwicklung präsentiert, so erhärtet sich doch der Verdacht, dass unsere Probleme direkt etwas mit der Organisationsform unseres Staates zu tun haben. Immer weniger Menschen vertrauen heute ihren Regierungen und den angeschlossenen Institutionen. Woran liegt das?

    Ein Grund ist sicherlich die neu gewonnene Möglichkeit, sich unabhängig von den Leitmedien Informationen zu beschaffen. Noch vor etwa 20 Jahren lag das Informations- und Deutungsmonopol in den Händen einiger weniger Medieninstitutionen. Die von den Sendern und Verlagen konstruierte gesellschaftliche Realität war für uns mangels alternativer Informationsquellen im Prinzip unhinterfragbar. Erst die Verbindung der Menschen in einem international verknüpften elektronischen Netzwerk, in neuester Zeit auch in sogenannten Sozialen Netzwerken, gibt uns die Möglichkeit, eigene Informationsquellen zu erschließen und die offizielle Deutung nachhaltig anzuzweifeln. Heute können wir, sofern es gelingt, uns selbst an Schlüsselstellen der Informationsflüsse im Netz zu positionieren, eigene zuverlässige Informationen beschaffen und so die offiziellen, von den Vertretern des politischen Systems verkündeten Deutungen in Frage stellen.

    Der Impuls von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen entstand für viele Bürger nach den Anschlägen des 11. September 2001. Das von den Medien und Regierungen präsentierte Bild der Ereignisse hielt der Überprüfung durch die Netzgemeinde nicht stand. Zwar wissen wir bis heute nicht genau, was damals wirklich passiert ist – doch überwiegt inzwischen unter kritisch denkenden Menschen die Überzeugung, dass die offizielle Darstellung nicht richtig sein kann und dass die Öffentlichkeit gezielt falsch informiert worden ist. Ausgehend von dieser Erkenntnis entsteht heute ein immer größer werdendes Bedürfnis, die von westlichen Regierungen und Medien erzeugte Realität systematisch in Frage zu stellen. Je mehr alternative Informationen durch die zahlreichen Aktivisten im Netz zusammengetragen werden, umso zwingender wird der Verdacht, dass wir seit Jahrzehnten aus prinzipiellen Gründen systematisch belogen werden; am Ende werden wir uns womöglich eingestehen müssen, bisher in einer Scheinwelt gelebt zu haben.

    Medien und Politiker sagen uns, dass wir Teil einer Heilsgeschichte sind, dass die menschliche Gesellschaft am „Ende der Geschichte“ nach langer Suche schließlich und endgültig zu jener Organisationsform gefunden hat, die das optimale Zusammenleben garantiert: der liberalen Demokratie. Lesen wir stattdessen die Texte der „neoliberalen“ Vordenker, so erfahren wir, dass Demokratie heute tatsächlich nichts anderes sein kann und sein soll als eine notwendige Illusion, die es den kapitalistischen Eliten erlaubt, die Massen zu kontrollieren und eigene Interessen durchzusetzen.

    Wenn man einst aus der Perspektive einer heute ungewissen Zukunft auf unsere Zeit zurückblickt, so wird man vielleicht von einem Zeitalter der Zweiten Aufklärung sprechen, von einem erneuten Ausbruch aus einer in diesem Fall unverschuldeten Unmündigkeit. Das große gemeinschaftliche Projekt unserer Zeit, an dem sich gegenwärtig zahllose unabhängige Aktivisten in den Foren und den sozialen Netzwerken beteiligen, an dem auch wir teilhaben wollen, ist der Versuch, die von den Medien erzeugten Illusionen beiseite zu schieben und zu verstehen, in welchem Staat, in welcher gesellschaftlichen Realität wir tatsächlich leben. Wir beginnen zu ahnen, warum eine kleine Gruppe von Menschen einen immer größeren Anteil am gesamten Reichtum beanspruchen kann, warum dagegen unsere eigene wirtschaftliche Situation immer unsicherer wird. Wir begreifen allmählich, dass Politiker westlicher Staaten nur in der Theorie, im Rahmen einer für uns konstruierten demokratischen Illusion die Interessen des Volkes vertreten, dass sie in Wahrheit mit Leib und Seele dem Wohl der Finanzeliten dienen; dass Sie an jedem Tag und zu jeder Stunde vorsätzlich lügen um den großen Betrug, die Illusion der Demokratie aufrechtzuerhalten.

    Am Ende dieses Aufklärungs- und Erkenntnisprozesses kann nur eine Revolution stehen. Wenn die bisher und zukünftig gewonnenen Erkenntnisse zusammengetragen und bei einer genügend großen Zahl von Menschen angekommen sind, wird unsere politische Ordnung nicht fortbestehen können, weil dann unübersehbar sein wird, dass sie über keinerlei Legitimation verfügt. Am Ende muss eine Befreiung stehen, die Menschen in den europäischen Staaten müssen die Kontrolle über ihre Gemeinwesen zurückerobern*. Zu dieser Entwicklung wollen wir beitragen.

    *Zurückeroberung, spanisch: Reconquista. Stehender Begriff für die Wiedereingliederung Spaniens in den europäischen Kulturkreis nach der Vertreibung der moslemischen Invasoren im späten Mittelalter.

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