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01-09-14 01:28 Alter: 10 Jahr/e
Vor 75 Jahren begann der 2. Weltkrieg
Die zwei unmittelbaren deutsch-polnischen Kriegsanlässe
Von Gerd Schultze-Rhonhof
Der amerikanische Privatgelehrte John V. Denson schrieb in seinem 2006 erschienen Buch „Sie sagten Frieden und meinten Krieg“:
„Die tatsächliche Ironie des Beginns des Zweiten Weltkriegs ist, dass er ausgerechnet wegen der Danzig- und der Korridor-Frage ausgebrochen ist, die sowohl von den führenden britischen als auch französischen Politikern für die am wenigsten haltbare und am notwendigsten zu ändernde Bestimmungen des Versailler Vertrags gehalten wurde.“
Polens Griff nach Danzig
Ein Dauerbrenner zwischen beiden Kriegen war der Streit der Republik Polen mit der Regierung der Freien Stadt Danzig und mit dem Völkerbund um Danzigs Souveränität. Bei diesen Streitigkeiten stand Deutschland bis 1938 meist unbeteiligt außen vor. Die Danziger waren durchaus ein selbst handelndes Subjekt.
Kaum war die Verfassung der Freien Stadt Danzig 1920 drei Monate alt, begann Polen mit einer nicht enden wollenden Kette von Versuchen, diese Verfassung und die Verfassungspraxis mit zahllosen Interventionen, Anträgen, Klagen und Nacht- und Nebelaktionen zu seinem Vorteil zu verändern. Es ging dabei immer um die souveränen Hoheitsrechte der Freien Stadt, die inzwischen ein halbsouveräner Kleinstaat unter der Oberhoheit des Völkerbunds geworden war.
Dem Staat Polen waren in Versailles besondere Zoll-, Post-, Bahn- und Wegerechte im Freistaat zugestanden und die diplomatische Außenvertretung Danzigs übertragen worden. Polen wollte die übrigen Hoheitsrechte Danzigs jedoch nicht anerkennen und auf sich selber übertragen haben.
Der Staat Polen versuchte in den Folgejahren, sich die Freie Stadt Danzig in einer Serie vieler kleiner Schritte einzuverleiben. Es bombardierte den Hohen Kommissar des Völkerbundes mit immer neuen Forderungen, um den in Versailles erhobenen Anspruch auf Danzig doch noch durchzusetzen.
1921 legte Polen 24 eigene Behörden in den Freistaat und verlangt für sie einen exterritorialen Status, genauso wie für die polnischen Liegenschaften, Schiffe und Beamten in der Stadt. Der Rat des Völkerbunds entschied aber, dass polnische Einrichtungen, Schiffe und Beamte auf Danziger Gebiet der Danziger Gerichtsbarkeit und Polizeigewalt unterworfen wären, und dort keine Exterritorialität besäßen.
1920 beantragte Polen, als Protektoratsmacht über den Freistaat eingesetzt zu werden und polnische Truppen in Danzig stationieren zu dürfen. Der Völkerbund lehnte dieses Ansinnen 1920 und 21 zweimal ab.
Zwischen 1921 und 1924 musste sich Polen auch wiederholte Male vom Völkerbund belehren lassen, dass es keine Oberherrschaft über Danzig auszuüben hätte.
1921 begannen polnische Behörden, die Danziger Pässe von Danziger Bürgern einzuziehen und sie durch polnische Papiere zu ersetzen. Der Völkerbund schob diesen Anmaßungen sofort den Riegel vor.
Polen dehnte das eigene Postnetz auf fast die ganze Stadt aus, obwohl der polnische Postdienst nach Versailler Vertrag ausschließlich für den Hafen vorgesehen war.
Das polnische Militär legt gegen den ausdrücklichen Protest des Danziger Senats ein Munitionsdepot im Hafen an. 1923 bekam Polen nach Völkerbunds-Entscheid statt dessen eine Halbinsel vor der Stadt, die Westerplatte, für die Lagerung von Munition zugewiesen und ein Kontingent von 88 Soldaten zur dortigen Bewachung zugestanden. Sofort versucht Polen, die Truppe auf der Westerplatte zu verstärken. Auch hier schritt der Völkerbund mit einem Veto ein.
1932 nutzte Polen einen englischen Flottenbesuch in Danzig, um eigene Kriegsschiffe dorthin zu verlegen. Als der Senat der Freien Stadt dagegen protestiert, wurde ihm von Polen mitgeteilt, dass
„polnische Kriegsschiffe das nächste öffentliche Gebäude beschießen würden, falls die Danziger Bevölkerung die polnische Flagge auf den polnischen Schiffen beleidige“.
Ab August 1932 beanspruchte Polen dann generell das Recht zum Aufenthalt seiner Kriegsflotte im Danziger Hafen.
So weitete sich der Zugriff des polnischen Staates auf den Freistaat langsam aber unaufhörlich aus. Polen hielt den Druck im Danziger Kessel aufrecht, bis der Zweite Weltkrieg ausbrach.
Ab 1933 erstarkte in Danzig — wie im Deutschen Reich — die NSDAP und erzeugte Gegendruck. Der Rat des Völkerbunds in Genf musste sich bis 1933, also bevor die Nationalsozialisten überhaupt in Danzig Einfluss bekamen, 106mal mit Streitfällen zwischen Polen und der Freien Stadt befassen. Die Streitigkeiten zwischen Danzig und der Republik Polen nahmen bis zum Kriegsbeginn kein Ende.
Sie gipfelten im Sommer 1939 im so genannten Zollinspektorenstreit, der schon im August fast zur Kriegseröffnung durch die Polen führte.
Dass heutzutage dem Deutschen Reich die Schuld für den schwelenden Danzig-Konflikt in die Schuhe geschoben wird, zeugt davon, dass fast alle deutschen Historiker zur Danzig-Frage nur noch abschreiben, statt einmal selbst zu forschen.
Das zweite deutsch-polnische Problem, das zum Zweiten Weltkrieg führte, war
Die Abschnürung Ostpreußens
Nachdem das zu 70% deutsch besiedelte Westpreußen durch Siegerentscheidung mit seinen größten Teilen 1921 von Deutschland an Polen abgetreten werden musste, hatte Ostpreußen seine Landverbindung zum Reichsgebiet verloren. Die Bürger Ostpreußens konnten das Reichsgebiet nur noch auf dem See- oder Luftweg und mit der Eisenbahn durch den sogenannten Polnischen Korridor erreichen.
Ostpreußen war damals zunächst durch acht Eisenbahnstrecken mit Pommern und Schlesien verbunden. Der Transitverkehr über das nun polnisch beherrschte Gebiet war durch zwei Transitverträge international geregelt. Die Verträge bestimmten unter anderem, dass die Transitgebühren in Zloty zu bezahlen wären. Während und nach der Weltwirtschaftskriese nahm das Reich allerdings nicht mehr genug polnische Devisen ein, um alle Verpflichtungen aus dem Transitverkehr und dem Warenhandel in Zloty bezahlen zu können.
Deutsche Bemühungen, die eigenen Verpflichtungen gegen polnische zu verrechnen oder einen Teil der Transitgebühren in Reichsmark zu begleichen, schlugen fehl. Die polnischen Behörden bestanden auf der wörtlichen Erfüllung der Vertragstexte, nämlich auf der Bezahlung der Gebühren in Zloty. Um die Gebühren trotzdem zu entrichten, überwies Deutschland die an Zloty fehlenden Beträge regelmäßig in Reichsmark. Doch die polnischen Behörden sahen darin einen Vertragsbruch - was es ja objektiv gesehen auch war - und schlossen zur Strafe ab 1936 eine Transitstrecke nach der anderen.
Exakt zwei Drittel der Eisenbahntransporte dienten allerdings der Energieversorgung Ostpreußens. Sie fuhren Kohle aus Oberschlesien für Industrie, Gewerbe, den Hausbrand und die Stromerzeugung in der abgeschnittenen Provinz. Kohle war damals der einzige Energieträger für die Stromerzeugung.
Schließlich drohte Polen einmal damit, bei weiterhin unvollständigen Zloty-Zahlungen auch die letzten Eisenbahnstrecken zwischen Ostpreußen und dem Reichsgebiet zu schließen. Damit wäre Ostpreußen von seiner Energieversorgung abgeschnitten und dem wirtschaftlichen Ruin preisgegeben gewesen, wie zwei Jahrzehnte später Berlin durch die sowjetische Blockade.
Deutsche Versuche und Berechnungen, die Kohlentransporte auf dem Seeweg über den Königsberger Hafen umzuleiten, erwiesen schnell, dass der Hafen den erforderlichen Umschlagmengen nicht gewachsen sein würde. So kam auf deutscher Seite im Reichswirtschaftsministerium die Idee auf, mit der polnischen Regierung statt über Zloty-Zahlungen zu sprechen, über einen exterritorialen Verkehrsweg unter deutscher Hoheit und Regie und zu deutschen Kosten durch den polnischen Korridor zu verhandeln. Dies wurde dann der zweite deutsch-polnischen Streitpunkt, der später zum Zweiten Weltkrieg führte.
US Präsident Hoover, der vor Hitler an der Macht war, hatte die Abtrennung von Danzig als „Versailler Racheakt“ bezeichnet. Er gestand auch ein, dass er sich während seiner Amtszeit mit dem französischen Ministerpräsidenten Laval einig gewesen war, dass Danzig zurück an Deutschland gegeben und der polnische Korridor zwischen Ostpreußen und dem Reich auf die erforderliche Mindestbreite zurückgeschnitten werden sollte.[1]
Ähnliches hatte Churchill 1932 vor dem Unterhaus in London gefordert. Er hatte dort gesagt:
„Wenn die englische Regierung wirklich wünscht, etwas für die Förderung des Friedens zu tun, sollte sie die Führung übernehmen und die Frage Danzigs und des Korridors ihrerseits wieder aufrollen solange die Siegermächte noch überlegen sind. Wenn diese Fragen nicht gelöst werden, kann keine Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden bestehen.“
Die Siegermächte, die alle wussten, dass hier bereits die Lunte brannte, die sie in Versailles selbst ausgelegt hatten, taten über all die Jahre nichts, um frühzeitig einen neuen Weltkrieg zu verhindern. Und später taten sie das Gegenteil davon.....
[1] Nash. George H., Freedom Betrayed, Herbert Hoover´s Secret History of the Second World War and ist Aftermath, Hoover Institution at Leland Stanford Junior University, Stanford, California 2011, Seite 131
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