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16-09-11 23:27 Alter: 13 Jahr/e
Die Arcandor-Pleite
VON: ADMIN
Ein Lehrstück zum Verständnis der heutigen Börsen- und Wirtschaftswelt
Graf von Krockow (Bankhaus Sal. Oppenheim) und Josef Esch
Thomas Middelhoff - "Big-T"Wer das heutige Börsensystem analysieren möchte kann auf lange Studien verzichten, ebenso auf Wirtschaftsfachbücher oder Börsenexpertisen – ein eingehender Blick auf einen der wohl größten BRD-Wirtschaftsskandale jüngerer Zeit reicht aus: Die Arcandor-Pleite. Das Stück hat alles was ein gutes Drehbuch benötigen würde: Eine vor dem Ruin stehende Milliardenerbin, eine Reihe hochkrimineller Banker und Manager des deutschen Geldadels sowie ein Traditionsunternehmen mit Tausenden Angestellten, die ihren Job durch das Treiben verloren – zu schweigen von verpulverten Steuergeldern im Millionenbereich.
Die Geschichte beginnt dort, wo es Menschen vom Typus des Rummelplatzganoven ganz nach oben geschafft haben – in Köln. Hier umgeben sich Angehörige der Stadtprominenz wie der hemdsärmelige ehemalige Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma mit ihresgleichen, um dem eigenen Glück auf die Sprünge zu helfen: „Rheinischer Klüngel“, so die euphemistische Beschreibung des Spiels in den Medien. Einer der auch dazu gehören möchte ist der gelernte Troisdorfer Polier Josef Esch. Sein Geschäftsmodell: Er sammelt Geld bei Investoren, kauft günstig Grundstücke und verspricht den Verkäufern – darunter auch kommunalen Behörden - Prestigeobjekte. Im Gegenzug schließt er mit den ehemaligen Besitzern langfristige Mietverträge. Den Investoren winken so ansehnliche Renditen und erhebliche Steuervorteile.
1991 gründet Esch gemeinsam mit langjährigen Vertrauten der Privatbank Sal. Oppenheim die Oppenheim Immobilientreuhand, die spätere Oppenheim-Esch-Holding GbR. Diese entwickelt sich unter Esch und Graf von Krockow zum Kernelement der Oppenheim-Firmengruppe. Über Jahre hinweg knüpft Esch ein enges Netz aus Beziehungen mit hochrangigen Lokalpolitikern aus beiden großen Volksparteien und perfektioniert das Prinzip des rheinischen Klüngels.
Das „Meisterstück“ der Esch-Oppenheim-Firma war dann der Bau der Kölnarena. Das Grundstück kaufte Esch günstig von der Stadt Köln, um dann die 1998 fertig gestellte Veranstaltungshalle teuer und langfristig an die Stadt Köln zu vermieten. Der ehemalige Kölner Oberbürgermeister Harry Blum sprach im Nachhinein vom vermieterfreundlichsten Vertrag in ganz Köln, den er je gesehen habe .Selbst Franz-Josef Antwerpes, langjähriger Kölner Regierungspräsident, äußerte zum Grundprinzip des Kölschen Klüngels: Die Einzigen, die mir bekannt sind, die den Klüngel öffentlich loben, sind die Leute hier aus Köln – und auch noch stolz darauf. Das ist etwas sehr Verwunderliches. Aber das gehört mit zum Geschehen. Die Frage ist: Klüngel kann ja so definiert werden, dass man sagt: einer hilft dem anderen und beide haben einen Vorteil davon, aber meistens ist das so, dass Klüngel darauf hinauskommt, einer hilft dem anderen zu ungunsten eines Dritten, der den Schaden hat. Und den Schaden hat in dem Fall im Grunde genommen der Bürger.“ (Franz Josef Antwerpes in: Doku: Milliarden-Monopoly Die verschwiegenen Geschäfte der Oppenheim-Esch-Holding)
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Einen weiteren Vertrag mit der Stadt Köln schließt Esch über die Vermietung des Rathaus-Gebäudes für 30 Jahre Mietzeit ab. Dieser „erweist sich mit den Verpflichtungen im Kleingedruckten als ungleich teurer, als wenn die Stadt das Rathaus selbst hätte bauen lassen“, wie der Publizist Werner Rügemer 2007 bemerkte.
Geschäftspartner Eschs war der damalige Oberstadtdirektor und Wolfgang Clement-Vertraute Lothar Ruschmeier, der etwa zweieinhalb Jahre später nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Amt als Geschäftsführer zu Esch wechselte. Eine juristische Verfolgung des in den Medien als „Bangemann von Köln“ bezeichneten Nutznießers Ruschmeier bleibt aus, auch aufgrund der engen Kontakte zum Medien-Boss, Alfred Neven Dumont. Dessen Zeitungsblätter, vor allem der „Kölner Express“, halten sich zurück mit kritischen Tönen. So ist Neven-Dumont einer der Ehrengäste beim Richtfest für die neue Messe, gemeinsam mit seinem Gesprächspartner und Duzfreund Graf von Krockow, dem Oppenheim-Banker.
Anfang 2000 hat Josef Esch dann einen noch dickeren Fisch an der Angel: Die Milliardenerbin des Quelle-Konzerns, Madelaine Schickedanz. Eine zurückhaltende und etwas blauäugige Frau, die nach Experten zur Verwaltung ihres Erbes sucht. „Meine Tochter hat kein richtiges Verhältnis zu Geld“, soll ihr Vater sie einst charakterisiert haben, „Wenn Sie Madeleine mit 10 D-Mark zum Bäcker schicken, um ein paar Brötchen zu holen, und der sagt ,Stimmt so‘, glaubt sie ihm das und verlangt kein Wechselgeld zurück.“ Genau das richtige Opfer also für die Pläne Eschs, der ihr über die Oppenheim-Bank als der Experte in Anlage- und Geldfragen präsentiert wird.
Zu dieser Zeit befindet sich das kurz zuvor – 1999 - unter Aufsichtsratchef Hans Meinhardt, Walter Deuss und Wolfgang Urban zur Karstadt-Quelle AG fusionierte Firmenerbe der Madelaine Schickedanz in finanziellen Nöten. Esch sorgt für neue Liquidität, indem er zum Verkauf von Karstadt-Gebäuden rät, die im Gegenzug vom neuen Besitzer zurückgemietet werden sollen. Was als einträgliches Geschäft in Form von kurzfristiger Liquidität und entstehenden Steuererleichterungen verkauft wird, erweist sich als Büchse der Pandora. Die Verpflichtungen erstrecken sich auf eine Mietzeit von 20 Jahren zum deutlich überhöhten Jahrespreis von 42,6 Millionen Euro – 821,2 Mio Euro stehen als feste Verbindlichkeiten für die nächsten Jahre an. Die Mieten machten deutlich mehr als zehn Prozent des in den Häusern erzielten Umsatzes aus; üblich sind Quoten zwischen fünf und sieben Prozent.
Wie konnte Esch zu einem solchen Vertrag raten? Die Antwort fällt einfach: Er selbst gehörte zu den Mitinhabern der Firma, einem Esch-Fonds, der fortan als Vermieter Karstadts auftrat.
Doch es kommt noch besser. Um die Karstadt-Quelle AG mit frischem Geld auszustatten, überredet Esch Frau Schickedanz einen Kredit über mehr als zweihundert Millionen bei der Sal. Oppenheim Bank aufzunehmen und Aktienanteile aufzukaufen. Als Sicherheit dienen Grundstücke und Immobilien. Zur Absicherung seines Gewinns überzeugt Esch seine Klientin darüber hinaus von der Unvermeidlichkeit, Meinhardt und Urban durch neue Aufsichts- und Vorstandsvorsitzende zu ersetzen. Seine Wahl fällt auf Christoph Achenbach, der jedoch nur ausführendes Organ des neuen Aufsichtsratschef ist: Thomas Middelhoff, genannt „Big T“. Dessen bisherige Leistung lag weder in einer Karriere als Rapper, wie sein Spitzname annehmen ließe, noch tat er sich wirtschaftlich besonders positiv hervor, dafür bestanden aber enge Kontakt zu Esch. Middelhoff gehörte zu den Investoren des Esch-Fonds, der die Karstadt-Häuser übernahm und beteiligte sich mit einem siebenstelligen Betrag. Weitere Investoren waren die Privatbankiers Finck, die Kunstsammlerin Claudia Oetker, der Bofrost-Gründer Josef Boquoi und Maxdata-Gründer Holger Lampatz, der 2006 und 2007 ebenfalls im Aufsichtsrat von KarstadtQuelle saß.
Unter Leitung Middelhoffs, der nach nur einem Jahr Achenbach als Vorstand ablöst, werden 25000 Mitarbeiter entlassen und weitere Karstadt-Immobilien nach dem Muster des Esch-Fonds verscherbelt und anschließend zurück gemietet. Der Aktienkurs steigt und geriert das Kapital, um die Karstadt-Quelle AG zur Arcandor AG auszubauen, ohne daß sich der Umsatz oder gar der Gewinn bei Karstadt und Quelle gesteigert hätten. Im Gegenteil verschlechtern sich trotz des Aktienanstiegs beide Werte. Doch das liegt im Kalkül Middelhoffs, der darauf spezialisiert ist, einen Börsenwert zu schaffen, der nicht durch faktische Wirtschaftsstärke abgesichert ist; statt realem Gewinn zählt allein die Gewinnerwartung und damit der Anstieg des Börsenkurses. Dadurch kann sich Middelhoff Millionen an Boni einstecken. Bis zu seinem Ausstieg aus Arcandor 2009 werden es um die 20 Millionen Euro sein, die „Big-T“ an Gehältern, Provisionen und Boni kassiert, während zugleich der Wert des einstigen Karstadt-Quelle Konzerns nunmehr als Arcandor AG von mehreren Milliarden Euro auf einige Hundert Millionen absinkt. Der Spiegel bemerkte dazu, „man darf wohl sagen: Selten war in den Arcandor-Führungsebenen so viel visionäre Kraft zu beobachten wie bei der Suche nach Bonus-Gründen.“
Auf dem Höhepunkt des Arcandor-Börsenrausches steigen einige Anleger aus – darunter der Großaktionär Allianz - und verdienen kräftig an den verkauften Arcandor-Aktien. Doch Madelaine Schickedanz hält ihre Anteile von fast 60 % des Gesamtaktien, statt zumindest mit einem Teilverkauf ihre Schulden bei Sal. Oppenheim zu tilgen. Warum? Berater Esch und Middelhoff verkünden öffentlich, Schickdeanz zum Verkauf geraten zu haben und machen „Treue zum Unternehmen ihrer Eltern“, „Naivität“ oder „Realitätsverlust“ für die gegensätzliche Entscheidung verantwortlich. Tatsächlich aber, war es ihr Berater Esch, der nach Aussage von Schickedanz ihr vom Verkauf abriet. Sein Argument, der drohende Kurssturz bei Großverkäufen und eine angebliche Ablehnung dieser Handlung durch ihren Gläubiger, die Oppenheim-Bank.
So muß die Milliardenerbin hilflos zuschauen, wie der Kurswert des Arcandor AG in den Keller sinkt. Der Aktienwert der Arcandor AG verringerte sich unter Middelhoffs Ägide rapide, von ca. 10 EUR pro Aktie (Mai 2005) auf 1,30 EUR (Februar 2009. Es droht die Insolvenz. Wieder greift Esch ein und drängt Schickedanz zu weiteren Investitionen, abgesichert durch Bürgschaften aus dem umfeld Eschs. Diesmal haftet sie jedoch mit ihrem gesamten Privatvermögen und erhält im Gegenzug weitere Kredite.
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Dennoch muß Arcandor im Juni 2009 Insolvenz anmelden, Madelaine Schickedanz erleidet einen Nervenzusammenbruch. Zur Zeit bereitet die Quelle-Erbin eine Klage gegen ihren langjährigen Vermögensberater Josef Esch wegen Falschberatung vor.
Doch der wäscht seine Hände in Unschuld. Auch Vorwürfe seines einstigen Geschäftspartners Middelhoff weist Esch zurück: Wenn Middelhoff nun über Probleme klage, liege dies "jedenfalls nicht an den Fonds". Für Midelhoffs 33-Meter-Luxusyacht und sein Ferienhaus in Saint-Tropez würde "im Monat sicher ein sechsstelliger Betrag benötigt. Das müssen Sie erst einmal verdienen", so Esch in einem Interview. Ob Middelhoff tatsächlich Ansprüche gegenüber Esch erhebt oder lediglich eine Fassade aufbaut, um sich angesichts einer vom Arcandor-Treuhandverwalter gegen ihn erhobene Klage selbst als Opfer von Eschs Praktiken zu gerieren, bleibt offen. Sicher ist, daß Middelhoff, der nach seinem Arcandor-Ausstieg die Investmentgesellschaft BLM gründete – mit Wolfgang Clement im Aufsichtsrat - kräftig absahnte. Und ebenso sicher scheint, dass Middelhoff trotz aller Lippenbekenntnisse aus Reihen der Politik für seine Handlungen unbehelligt bleiben wird. Nicht umsonst fungiert er seit einiger Zeit als Kurator der mächtigen „Atlantik-Brücke“.
Weniger erfolgreich verliefen die Geschichte der Privatbank Sal. Oppenheim, die nach Übernahme der Arcandor-Aktien, die als Sicherheit für die Schickedanz-Kredite dienten, selbst in Schieflage geriet und schließlich von der Deutschen Bank übernommen wurde – allerdings zu einem verhältnismäßig hohen Preis von 1 Mrd. €. Mittlerweile ermittelt die Finanzaufsicht Bafin gegen die ehemaligen Bankvorstände, darunter Matthias Graf von Krockow und Dynastiesproß Christopher Freiherr von Oppenheim, die sich selbst vor der Beinahe-Pleite noch ein paar Kredite in der Gesamthöhe von 680 Mio € genehmigt hatten. Diese dienten auch als Bürgschaft für die letzten Kredite von Madelaine Schickedanz. Wie viel diese von ihrem einstigen Milliardenerbe noch behielt ist umstritten. Sicher ist aber, daß über 2 Mrd. € den Besitzer wechselten.
Mittlerweile haben einige Journalisten eingehender über Eschs Geschäfte berichtet. Als Reaktion ließ sie der Vermögensverwalter offenbar von der Firmengruppen eigenen Sicherheitsfirma "Consulting Plus"systematisch observieren. So wurden verschiedene Dossiers mit privaten Anschriften, Telefonnummern und Fotos aus der Privatsphäre von einem Journalisten des "manager magazin" sowie drei WDR-Journalisten angelegt – selbstverständlich beteuerte Esch öffentlich seine Unschuld.
Karstadt wurde inzwischen durch den jüdisch-stämmigen Investor Nicolas Berggruen übernommen. Was seine Investitionsstrategie betrifft, wird als Berggruens Lieblingssatz der Rothschild-Ausspruch genannt, „man soll einsteigen, wenn das Blut auf der Straße fließt“. Nebenbei unterhält der Rothschild-affine Investor übrigens einen Think-Tank, dem auch Gerhard Schröder angehört. So schließt sich der Kreis …
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